Leben retten und Menschenrechte schützen
ein berührender Brief von Leila de Lima
Ich frage andere immer wieder, wie es ihnen jetzt geht, und gleichzeitig fällt es mir schwer, diese Frage selbst zu beantworten. Für viele endete ihr Leben, wie sie es kannten, mit dem Beginn des Lockdowns.
Durch die Coronavirus-Pandemie sind die Straßen menschenleer, während die Krankenhäuser nach wie vor mit Kranken und Sterbenden überfüllt sind. Es könnte 12 bis 18 Monate dauern, bis ein Impfstoff für die breite Öffentlichkeit verfügbar sein wird. Bis dahin sind die Menschen gezwungen, in ihren Häusern zu bleiben. Sie fürchten die Ungewissheit.
Für mich persönlich ist die anhaltende unrechtmäßige Inhaftierung innerhalb des nationalen Polizeipräsidiums seit über drei Jahren meine neue Normalität. Ich sehe zwar, dass diese Pandemie das Leben auf schmerzhafte und hoffnungsvolle Weise verändert. Doch ich bin auf die Berichte meiner Mitarbeiter angewiesen, um zu verstehen, was außerhalb der hohen Mauern und des Stacheldrahts um mich herum geschieht.
Doch mit Anbruch der Woche 7 des Lockdowns auf den Philippinen sind die täglichen Berichte, die ich früher von 8.00 bis 17.00 Uhr erhielt, inzwischen seltener geworden, und kommen nur noch morgens; und in letzter Zeit hatte ich keinen direkten Kontakt mehr zu meinen Mitarbeiter*innen.
Obwohl ich mitten in dieser Krise von der kollektiven Erfahrung der Menschheit abgeschnitten bin, bin ich nicht immun gegen die Not der Leidenden. Schon früh habe ich zu Massentests aufgerufen – und zur frühzeitigen Freilassung von inhaftierten Personen, die keine Gefahr für die Gesellschaft darstellen, insbesondere von kranken oder alten Menschen. Ich habe zum Schutz von Gesundheitspersonal, Menschenrechtsverteidiger*innen und anderen gefährdeten Gruppen aufgerufen. Erst kürzlich habe ich angesichts der Berichte über Gewalt bei der Durchsetzung der Lockdown-Bestimmungen bessere und klarere Einsatzregeln gefordert.
Ich fordere weiterhin reaktionsfähigere und wirksamere Wohlfahrts- und Sozialschutzprogramme, die nicht nur die arme städtische Bevölkerung, sondern auch die Menschen in Landwirtschaft und Fischerei, die zurückkehrenden philippinischen Überseearbeiter*innen und andere entrechtete Gruppen von Arbeiter*innen berücksichtigen müssen. Es braucht außerdem eine vollständige Rechenschaftslegung darüber, wie öffentliche Gelder für diese Bemühungen verwendet werden.
Angesichts der verschärften Quarantäne in Metro Manila und anderen Hochrisikogebieten, die ein zweites Mal verlängert wurde, bemühen sich meine Kolleg*innen im Senat nun darum, die Regeln des Senats dahingehend zu ändern, dass Anhörungen von Ausschüssen und Plenarsitzungen per Telefonkonferenz möglich sind.
Bereits im vergangenen Jahr wurde Berufung eingelegt, um mir die Teilnahme an Gesetzgebungsverfahren über das Internet zu ermöglichen. Dennoch blieb ich ausgeschlossen, möglicherweise aus demselben Grund, aus dem ich trotz meiner Unschuld an den, gegen mich erhobenen grundlosen Vorwürfen, eingesperrt bleibe – weil ich mich weigere, damit aufzuhören, die Mächtigen mit der Wahrheit zu belästigen.
Ich wurde verleumdet und politisch verfolgt, weil ich forderte, die außergerichtlichen Tötungen von Menschen unter dem Vorwand eines Krieges gegen Drogen zu beenden. Schätzungen gehen von mehr als 20.000 Ermordeten aus – Eltern, Geschwister, Ehemänner und Ehefrauen, die auf bloße Statistiken reduziert wurden, während die getöteten Kinder von demselben Präsidenten, der mich wegen der Verteidigung der Menschenrechte ins Gefängnis brachte, kaltblütig als "Kollateralschaden" bezeichnet wurden.