Hintergrundinfo
Saba Kordafshari wurde im August 2019 in einem höchst unfairen Verfahren vor der Abteilung 26 des Revolutionsgericht in Teheran wegen ihrer friedlichen Menschenrechtsarbeit zu 24 Jahren Haft verurteilt. Die 24-jährige Freiheitsstrafe setzt sich folgendermaßen zusammen: 15 Jahre für "Anstiftung zu und Begünstigung von Verdorbenheit und Prostitution" wegen mutmaßlicher Anstiftung zur "Entschleierung"; siebeneinhalb Jahre für "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit" und eineinhalb Jahre wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System". Zwischendurch ließ man sie zwölf Tage lang verschwinden.
Im November 2019 wurde Saba Kordafsharis Rechtsbeistand offiziell darüber unterrichtet, dass Abteilung 36 des Rechtsmittelgerichts in Teheran seine Mandantin von dem Vorwurf "Anstiftung und Begünstigung der Korruption und Prostitution" durch die Förderung des "Entschleierns" freigesprochen hatte und daher ihre Gefängnisstrafe von 24 auf neun Jahre herabgesetzt wurde. Davon müsse sie gemäß den Richtlinien für die Strafzumessung siebeneinhalb Jahre verbüßen. Ihr Rechtsbeistand durfte das schriftliche Gerichtsurteil einsehen, erhielt jedoch keine Kopie davon. Erst da las der Rechtsbeistand, dass ihre Verurteilung wegen "Aufwiegelung und Förderung der Korruption und Prostitution" durch die Förderung des "Entschleierns" aufgehoben und ihr Strafmaß reduziert worden war. Im März 2020 konnte auch Saba Kordafshari das Rechtsmittelgerichtsurteil vom November 2019 lesen, doch auch ihr wurde eine Kopie versagt. Die Weigerung der Behörden, ihr und ihrem Rechtsbeistand eine Kopie des Urteils auszuhändigen gründet auf Anmerkung 2 des Paragrafen 380 der iranischen Strafprozessordnung, die es den Behörden gestattet, den Angeklagten und ihren Rechtsbeiständen eine schriftliche Kopie des Urteils in Fällen zu verweigern, in denen es um "Anstand" oder die "nationale Sicherheit" geht. Diese Praxis verstößt jedoch gegen Irans Verpflichtung aus Artikel14(1) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat der Iran ist. Demzufolge muss sichergestellt sein, dass Urteile in Strafverfahren öffentlich gemacht werden (mit bestimmten Ausnahmen, die in diesem Fall nicht relevant sind).
Am 26. Mai 2020 erhielt Saba Kordafshari einen Brief der Vollstreckungsbehörde, in der ihre Verurteilungen und die Anzahl der Jahre für jeden Schuldspruch aufgeführt werden. Sie las dort zu ihrem Schrecken eine Anklage wegen "Anstiftung zu und Begünstigung von Verdorbenheit und Prostitution" durch die Förderung der "Entschleierung". Nachdem ihr Anwalt von ihr erfahren hatte, was geschehen war, legte er Beschwerde ein und die Strafverfolgungsbehörden sagten ihm, dass das Novemberurteil 2019 "kein Verstoß" sei, da nicht alle Richter*innen des Berufungsverfahren unterzeichnet hätten. Saba Kordafshari geht davon aus, dass dies mit dem Wissen der Richter*innen von Abteilung 36 des Rechtsmittelgerichts in Teheran geschehen ist, die Berichten zufolge über die Änderung des Urteils Bescheid wussten.
Nach ihrer Festnahme wurde Saba Kordafshari in der Hafteinrichtung Vozara in Teheran elf Tage in Einzelhaft gehalten. Dort wurde sie zu ihrer Menschenrechtsarbeit verhört. Am 11. Juni 2019 wurde sie in das Gefängnis Shahr-e Rey in Varamin außerhalb von Teheran gebracht. Am 2. Juli 2019 brachten die Revolutionsgarden sie an einen anderen Ort und hielten ihr Schicksal und ihren Aufenthaltsort bis zum 13. Juli vor ihrer Familie geheim. D.h., sie war zwölf Tage lang Opfer des Verschwindenlassens. Am 13. August 2019 verlegte man Saba Kordafshari in den Frauentrakt des Teheraner Evin-Gefängnisses. Die Frauenrechtlerin Raheleh Ahmadi und Mutter von Saba Kordafshari ist ebenfalls rechtswidrig inhaftiert. Sie sitzt seit dem 20. Februar 2020 eine 31-Monate lange Gefängnisstrafe ab, nachdem sie der "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit" and "Verbreitung von Propaganda gegen das System" für schuldig erklärt wurde. Amnesty International ist der Ansicht, dass sie sich nur aufgrund ihres friedlichen Protests gegen die obligatorische Verschleierung und wegen ihres öffentlichen Einsatzes für ihre zu Unrecht inhaftierte Tochter in Haft befindet.
Nach der Einzelhaft und den Verhören hatte Saba Kordafshari Blut im Stuhl und Schmerzen. Sie bat, zu weiteren Untersuchungen in ein Krankenhaus gebracht zu werden. Die Gefängnisklinik untersuchte schließlich ihr Blut und ihren Stuhl und sagte, sie leide aufgrund des Blutverlusts an Anämie. Saba Kordafshari wartete ein Jahr darauf endlich in ein Krankenhaus gebracht zu werden, wofür ihre Familie finanziell aufkommen musste. Amnesty International dokumentiert ein Muster der Verweigerung zeitnaher fachärztlicher Behandlungen außerhalb des Gefängnisses bei Gefangenen mit politisch motivierten Schuldsprüchen. Und auch die Übernahme der Behandlungskosten zu verweigern, verstößt gegen iranisches Recht und internationale Standards. Siehe dazu auch Healthcare taken hostage: cruel denial of medical care in Iran’s prisons (Anmerkung: Bericht in engl. Sprache).
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