El Paso Service Processing Center © Amnesty International USA
El Paso Service Processing Center © Amnesty International USA
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USA verletzt Rechte von Migrant*innen in Haftanstalt in El Paso

16. Mai 2025

Amnesty International deckt in einem Bericht schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Migrant*innen im Haftzentrum El Paso Service Processing Center (EPSPC) auf. Diese sind eine Konsequenz der Anti-Migrationspolitik von Präsident Trump.

Der Bericht  Dehumanized by Design: Human Rights Violations in El Paso (PDF, 31 Seiten in Englisch) dokumentiert umfassende Misshandlungen innerhalb des Haftzentrums El Paso Service Processing Center (EPSPC). Der Bericht beruht auf Recherchen im Rahmen einer Reise von Amnesty International nach El Paso und einer Führung durch das Haftzentrum EPSPC im April 2025.  Er zeigt detailliert die Folgen der Durchsetzung der rechtswidrigen Einwanderungsbestimmungen und die besorgniserregende Anwendung des Alien Enemies Act ("Gesetz über ausländische Feinde") auf.

"Die Trump-Regierung nimmt unsere eingewanderten Freund*innen, Nachbar*innen und Familienmitglieder unverhohlen ins Visier und macht ihr Leben unerträglich», sagt Amy Fischer, Direktorin für die Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen bei Amnesty International USA. «Migrant*innen und Schutzsuchende werden im ganzen Land zusammengetrieben, man verweigert ihnen den Zugang zu einem Rechtsbeistand und einem ordnungsgemäßen Verfahren, steckt sie in Hafteinrichtungen, in denen Menschenrechtsverletzungen begangen werden, und in eigenen Fällen verschwinden sie in einem Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador. Dieses Vorgehen ist nicht nur unmenschlich – es ist rechtswidrig."

Amnesty International hat mit 27 inhaftierten Personen und mit Anbieter*innen von Rechtshilfe, humanitärer Hilfe sowie sozialen Diensten und lokalen Organisationen gesprochen. Amnesty International kommt zum Schluss: Zahlreiche Maßnahmen der neuen Migrationspolitik verletzen jegliche Menschenrechtsstandards. 

Ein anderer Venezolaner wollte nur mit dem Wachpersonal sprechen und kam dann mit völlig zerschlagenem Gesicht zurück.

Eine im EPSPC inhaftierte Person aus Venezuela
Willkürliche Inhaftierung

Amnesty International hat zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Menschen willkürlich inhaftiert wurden, unter ihnen Personen, die sich schon seit längerem in den USA aufhalten oder Asyl beantragt haben. Mehrere Betroffene waren vor politischer Gewalt, Folter und Bandengewalt geflohen. Viele berichteten, dass sie keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand hatten, ohne Angabe von Gründen über einen längeren Zeitraum inhaftiert waren, unter grausamen und unmenschlichen Bedingungen leiden mussten und zwischen verschiedenen Einrichtungen hin- und hergeschoben wurden, wodurch es ihnen kaum möglich war, mit ihren Angehörigen und Rechtsbeiständen zu kommunizieren. 

Ein Mann aus der Dominikanischen Republik sagte gegenüber Amnesty International: "Ich war innerhalb von zwei Monaten in vier verschiedenen Haftanstalten. Jedes Mal, wenn sie mich verlegen, muss ich einen neuen Prozess durchlaufen, und mein Gerichtstermin, der zuständige Richter und der Status meines Falles ändern sich."

Andere schilderten die Trennung von ihren Familien, einschließlich ihrer Ehepartner*innen und Kinder, die ohne Unterstützung zurückblieben, sie berichteten darüber, keinen Kontakt mit ihren Angehörigen zu haben, und von der psychischen Belastung. 

Fehlende rechtliche Ressourcen

Seit der kürzlichen Einstellung des Programms zur rechtlichen Orientierung (Legal Orientation Program) des US-amerikanischen Justizministeriums sind die Möglichkeiten inhaftierter Personen, sich über ihre Rechte zu informieren, stark eingeschränkt. In El Paso haben alteingesessene gemeinnützige Organisationen wie Estrella del Paso – einst ein Rettungsanker für Migrant*innen, weil sie in der Haft Schulungen zum Einwanderungsrecht und zum Rechtssystem durchführten und unbegleitete Minderjährige vor Gericht unterstützten – ihre Finanzierung verloren. Migrant*innen wird dadurch der Zugang zu einem Rechtsbeistand und die Gewährleistung für ein ordentliches Verfahren enorm erschwert. Die meisten der befragten inhaftierten Personen hatten keinen Rechtsbeistand, regelmäßig wurde ihnen auch der Zugang zur Rechtsbibliothek verweigert.

Ein Dienstleister aus diesem Bereich sagte: "Man sorgt absichtlich dafür, dass die Leute scheitern."

Die Regierung unter Präsident Trump hält Menschen fest und führt Massenabschiebungen durch, ohne auf Menschenrechte, Würde oder Verantwortlichkeit zu achten.

Amy Fischer, Direktorin für die Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen bei Amnesty International USA
Unmenschliche Haftbedingungen

Im Rahmen der Anwendung des Alien Enemies Act durch die US-Regierung werden Venezolaner*innen unverhältnismässig oft ins Visier genommen und ohne Beweise zu Mitgliedern einer Bande erklärt, willkürlich inhaftiert und ohne ein ordentliches Verfahren abgeschoben, unter anderem nach El Salvador, wo sie unmenschlichen Haftbedingungen und der Gefahr von Folter ausgesetzt sind. In der EPSPC-Hafteinrichtung berichteten Personen, dass Venezolaner*innen unverhältnismässig oft von Gefängnispersonal körperlich misshandelt, in Einzelhaft gesteckt und allein aufgrund ihrer Nationalität oder ihrer Tätowierungen als «ausländische Feinde» bezeichnet werden. In anonymen Gesprächen schilderten verschiedene inhaftierte Personen, dass das Wachpersonal ihnen gedroht habe, sie nach Guantánamo oder El Salvador zu schicken, um sie einzuschüchtern und/oder zu disziplinieren.   

Eine im EPSPC inhaftierte Person aus Venezuela berichtete Amnesty International: «Ein Mann wurde vom Wachpersonal zu Boden geworfen und geschlagen und dann nach El Salvador geschickt, weil er jemanden in der Essensschlange übersprungen hatte. Ein anderer Venezolaner wollte nur mit dem Wachpersonal sprechen und kam dann mit völlig zerschlagenem Gesicht zurück.» 

Die Recherchen von Amnesty International haben ergeben, dass die Haftbedingungen im EPSPC-Haftzentrum sowohl gegen US-amerikanische als auch gegen internationale Haftstandards verstossen. Im EPSPC inhaftierte Personen berichteten über körperliche Misshandlungen durch das Wachpersonal, Einzelhaft, unhygienische und überfüllte Wohnbereiche einschliesslich defekter Toiletten, eine unzureichende medizinische Versorgung und minderwertige, abgelaufene Lebensmittel.  

Viele der Inhaftierten, mit denen Amnesty International sprach, hatten ähnliche Erfahrungen gemacht. Eine Person erzählte Folgendes: «Wir haben keinen Zugang zu der benötigten medizinischen Versorgung. Sie haben uns abgelaufene Lebensmittel zu essen gegeben, und wir sind alle krank geworden. Sie haben uns gesagt, wir sollten Wasser trinken. Das Wasser ist warm und nicht sauber. Es riecht unangenehm. Sie haben uns keine Medikamente gegeben.»

Illegitime Einwanderungspolitik

"Die Regierung unter Präsident Trump hält Menschen fest und führt Massenabschiebungen durch, ohne auf Menschenrechte, Würde oder Verantwortlichkeit zu achten!, sagt Amy Fischer. "Das ist keine funktionierende Einwanderungspolitik – das ist ein massiver Angriff gegen migrantische Gemeinschaften, bei dem Grausamkeit als Waffe eingesetzt wird, um Menschen dazu zu bringen, ihre Rechte aufzugeben und für ihre eigene Abschiebung zu sorgen."

Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump fordert unterdessen über 200 Milliarden US-Dollar, um ihre Kapazitäten bei der Durchsetzung der Einwanderungsgesetze zu erweitern – darunter 45 Milliarden US-Dollar, um die derzeitige Inhaftierungskapazität auf 150.000 Menschen täglich zu verdreifachen. 

Amnesty International fordert die US-Regierung auf, die massenhafte Inhaftierung von Migrant*innen zu beenden, bei jeder Inhaftierung eine individuelle Beurteilung unter Zugrundelegung des Rechts auf Freiheit zu gewährleisten, ein garantiertes Recht auf einen Rechtsbeistand einzuführen und internationale Menschenrechtsstandards konsequent einzuhalten. Außerdem muss sie die gezielte Abschiebung von Venezolaner*innen unter strikter Einhaltung des Grundsatzes des Non-Refoulements einstellen.

Der Kongress muss die Finanzierung von Inhaftierungs- und Abschiebesystemen, die gegen die Menschenrechte verstoßen, einstellen. Die Regierung muss Abschiebungen nach dem Alien Enemies Act stoppen, Betroffenen ein ordnungsgemäßes Verfahren und eine sichere Rückkehr garantieren und sicherstellen, dass alle Personen, die vor ein Einwanderungsgericht kommen, rechtzeitig Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten. 

"Der Kongress muss die Vergabe weiterer Geldmittel für die Ausweitung dieses grausamen Systems ablehnen", sagt Fischer. "Unabhängig davon, was Präsident Trump sagt, haben die Vereinigten Staaten die Pflicht, die Menschenrechte aller Menschen innerhalb ihrer Grenzen zu wahren. Die Verstöße, die wir, neben so vielen anderen, in El Paso dokumentiert haben, müssen jetzt ein Ende haben."

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