Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch © AFP via Getty Images
Überall in der Region erlebten ethnische und religiöse Minderheiten weiterhin Diskriminierung, Gewalt und andere Formen von Verfolgung durch die Behörden.
Im Januar 2020 wies der Internationale Gerichtshof die Regierung von Myanmar an, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um einen Völkermord an den Rohingya zu verhindern. Die Behörden Myanmars kamen ihrer Rechenschaftspflicht für die im Jahr 2017 erfolgten Militäreinsätze im Bundesstaat Rakhine, die zur Flucht von mehr als 700'000 Rohingya nach Bangladesch geführt hatten, nicht nach. Im Rahmen von Einsätzen zur Aufstandsbekämpfung verübten die Sicherheitskräfte Myanmars auch weiterhin Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts gegen andere ethnische Minderheitengruppen in den Bundesstaaten Rakhine, Chin, Kachin und Shan.
In China rechtfertigten die Machthaber*innen die Diskriminierung und Verfolgung von Tibeter*innen, Uigur*innen und anderen größtenteils muslimischen ethnischen Gruppen in der Region Xinjiang mit dem Argument, damit gegen »Separatismus«, »Extremismus« und »Terrorismus« vorzugehen. Die chinesischen Behörden setzten Uigur*innen und andere Turk-Muslim*innen weiterhin willkürlicher Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren sowie politischer Indoktrinierung und kultureller Zwangsassimilation aus. Während des gesamten Jahres verschärften sie auch die Zugangsbeschränkungen nach Xinjiang und richteten weiterhin Lager zur Masseninternierung ein.
Der seit drei Jahren «verschwundene» Uigure Iminjan Seydin tauchte im Mai 2020 wieder auf und lobte die chinesischen Behörden in einer offenbar erzwungenen Aussage. Die Uigurin Mahira Yakub, die für eine Versicherungsgesellschaft arbeitete, wurde wegen «materieller Unterstützung terroristischer Aktivitäten» angeklagt, weil sie Geld an ihre in Australien lebenden Eltern geschickt hatte, um sie beim Kauf eines Hauses zu unterstützen. Der seit März 2018 inhaftierte chinesisch-kasachische Schriftsteller Nagyz Muhammed wurde in einem geheimen Verfahren wegen «Separatismus» schuldig gesprochen, weil er sich vor fast einem Jahrzehnt am Unabhängigkeitstag Kasachstans mit Freund*innen zu einem Abendessen getroffen hatte.
Uigur*innen standen auch außerhalb Chinas unter Druck. Personen, die das Land verlassen und ins Exil gegangen waren, wurden von chinesischen Botschaften und Sicherheitsagent*innen drangsaliert und eingeschüchtert. Mitarbeiter*innen der chinesischen Sicherheitsdienste belästigten Uigur*innen im Ausland über Messenger-Apps und forderten sie auf, ihre Ausweisnummern, Wohnorte und andere Details bekanntzugeben. Einige erhielten Telefonanrufe vom Staatssicherheitsdienst, in denen sie aufgefordert wurden, die uigurischen Gemeinden im Ausland auszuspionieren.
In der Inneren Mongolei brachen Proteste gegen eine neu eingeführte Sprachpolitik für mongolischsprachige Schulen aus, mit der die Unterrichtssprache für einige Fächer von Mongolisch in Hochchinesisch geändert werden sollte. Hunderte Protestierende – Schüler*innen, Eltern, Lehrkräfte, schwangere Frauen und Kinder – wurden Berichten zufolge unter dem Vorwurf, «Provokation von Streit und Sabotage der gesellschaftlichen Ordnung» inhaftiert. Der Menschenrechtsanwalt Hu Baolong, der während der Proteste offen seine Meinung zum Ausdruck brachte, wurde Berichten zufolge wegen der «Weitergabe von Staatsgeheimnissen an das Ausland» inhaftiert.
In einigen Ländern waren ethnische und religiöse Minderheiten die am stärksten unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie leidenden Bevölkerungsgruppen. So wurden indische Muslim*innen durch die Pandemie noch weiter ausgegrenzt. Nachdem die muslimische Gruppe Tablighi Jamaat bei einer öffentlichen Versammlung beschuldigt worden war, das Virus zu verbreiten, wurde vielen Muslim*innen der Zugang zu medizinischer Versorgung und Gütern des Grundbedarfs verweigert. In den Sozialen Medien gab es Aufrufe zum Boykott muslimischer Geschäfte. In Sri Lanka hinderten die Behörden Muslim*innen daran, an Covid-19 verstorbene Menschen nach ihren religiösen Riten zu beerdigen und verbrannten die Leichen stattdessen zwangsweise. Berichten zufolge kategorisierte die Regierung Sri Lankas die muslimische Gemeinschaft des Landes anhand rassistischer Kriterien (Racial Profiling) und machte sie als Quelle eines erhöhten Ansteckungsrisikos aus.
In Afghanistan wurden mindestens 25 Menschen getötet, als die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat einen der wenigen Sikh-Tempel des Landes angriff. Auch die Hazara-Gemeinschaft, die zur schiitischen Minderheit des Landes gehört, wurde Opfer zahlreicher Angriffe bewaffneter Gruppen. So wurde im Oktober 2020 ein Bombenanschlag auf eine Schule in einem mehrheitlich von Schiit*innen bewohnten Stadtteil von Kabul verübt, bei dem 30 Menschen, zumeist Kinder, getötet wurden.
In Pakistan war die Ahmadiyya-Gemeinde Zielscheibe von Angriffen, sozialem und wirtschaftlichem Boykott und mindestens fünf gezielten Tötungen. Während des muslimischen heiligen Monats Muharram hetzten Hassprediger zu Gewalt gegen die schiitische Minderheit des Landes auf. Zudem wurden fast 40 Anzeigen wegen Blasphemie gegen schiitische Geistliche erstattet. Im Juli 2020 stoppten die pakistanischen Behörden auf Druck von Politikern, einigen Medienhäusern und Geistlichen den Bau eines Hindu-Tempels in der Hauptstadt Islamabad und verweigerten somit der Hindu-Gemeinschaft die Ausübung ihres Rechts auf Religions- und Glaubensfreiheit. Pakistans Regierung unternahm auch keine wirksamen Maßnahmen gegen die Zwangskonvertierung hinduistischer und christlicher Frauen und Mädchen zum Islam.
Die Regierungen müssen sicherstellen, dass die Menschenrechte ethnischer und religiöser Minderheiten geschützt werden. Darüber hinaus müssen sie allen Minderheitsgruppen einen gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung ermöglichen und Schritte unternehmen, um deren systematische Diskriminierung zu beenden.
NAHER OSTEN UND NORDAFRIKA