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© Illustration: Merle Schewe

Selbstversorgung im Slum © Illustration: Merle Schewe

Mit der Corona-Pandemie breitete sich der Hunger in Kenia weiter aus. Es gibt aber auch Hoffnung: Gemüse aus den Slums von Nairobi soll helfen, eine Katastrophe zu verhindern.

Vorsichtig holt Joshua Kiamba ein Spinatpflänzchen aus einem kleinen Anzuchttopf und setzt es in eine halbierte PET-Flasche voller Steine. Dann stellt er sie in ein ungewöhnliches Hochbeet. Die Pflanzen wachsen nicht in Erde, sondern stehen mitsamt den PET-Flaschen in einem Wasserbad. "Hydroponik" heißt diese Art des Gartenbaus, bei der Pflanzen durch eine mineralische Nährlösung versorgt werden. "Das ist eine praktische Methode, weil wir so wenig Platz haben", erklärt Kiamba, der sich als leidenschaftlichen Bio-Bauer bezeichnet.

Kiamba lebt mitten in Korogocho, einem der Slums der kenianischen Hauptstadt Nairobi. In den von Wellblechhütten gesäumten engen Gassen ist Kiambas kleine Parzelle eine Oase. Dort wächst auf jedem verfügbaren Zentimeter Gemüse. In der einen Hälfte des Gartens stehen zwei Hydroponik-Beete, im anderen Bereich hat er einen "Sackgarten": In mit Erde gefüllten Säcken gedeihen Spinat, Pak Choi, Sukuma Wiki und andere ­lokale Blattgemüsesorten.

Der Clou daran ist, dass die Pflanzen nicht nur die horizontale Fläche nutzen, sondern an den Seiten der Säcke auch aus Löchern wachsen, so dass sie in die Höhe streben können. So kann auf wenig Platz vergleichsweise viel Gemüse reifen.

Im Platzmanagement hat es Kiamba zur Meisterschaft gebracht. Er nutzt praktisch jeden Zentimeter auf seinem Grundstück, befestigt die PET-Flaschen an der Grundstücksumfassung aus Wellblech und an den Streben des Plastikdachs.

Was er erntet, verzehrt er mit seiner Familie und verkauft den Überschuss auf dem Markt. Da er am Ufer des Nairobi-Flusses, der durch Korogocho führt, auch etwas Mais anbaut, muss er keine Lebensmittel kaufen. "Ich bin Bauer wie meine Eltern, aber die lebten auf dem Land", sagt er. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie weiß er seinen Beruf noch mehr zu schätzen als vorher: "Meine Familie und ich hatten immer genug zu essen. Wir sind in unserer Ernährung unabhängig."

Etliche Kenianer*innen dagegen leiden unter den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, ihr Menschenrecht auf Nahrung bleibt häufig Theorie. Das gilt vor allem für die Bewohner*innen von Vierteln wie Korogocho. Nach einer Studie des Afrikanischen Zentrums für Bevölkerungs- und Gesundheitsforschung (APHRC) ist in den städtischen Armenvierteln fast die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren für ihr Alter zu klein. Grund sei der Mangel an Nahrung in entscheidenden Wachstumsphasen, sagt die Wissenschaftlerin Elizabeth Kimani Morage vom APHRC: "Unseren Ergebnissen zufolge haben 80 Prozent der untersuchten Haushalte keinen zuverlässigen Zugang zu angemessener Nahrung."

Bei der Hälfte der Haushalte führe das zu ernsten Problemen − Hunger gehöre dort zum Alltag. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie hätten das Problem noch verschärft, wie kürzlich stichprobenartige Befragungen von Familien in den Slums durch das APHRC ergeben hätten.

Der Anbau von Lebensmitteln auch auf kleinsten Flächen in den Städten gilt als ein vielversprechender Weg, um das Menschenrecht auf Nahrung zu verwirklichen. Initiativen wie "Voices 4 Change" oder die Organisation APHRC wollen deshalb kreative städtische Anbaumethoden fördern und bekannt machen. In Korogocho soll Joshua Kiamba einer der wichtigsten Multiplikatoren werden.

Text: Bettina Rühl

Nahrung ist ein Menschenrecht

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