Gaza: Rückkehr vertriebener Palästinenser*innen © Dawoud Abo Alkas Anadolu Via Getty Images
Gaza: Rückkehr vertriebener Palästinenser*innen © Dawoud Abo Alkas Anadolu Via Getty Images

Nahostkonflikt: Menschenrechte in Israel und im besetzten palästinensischen Gebiet

Die temporäre Waffenruhe in Gaza ist ein dringend nötiger Beginn, um den Genozid zu beenden und Gerechtigkeit möglich zu machen. Es braucht aber mehr: ein Ende der Besatzung, Apartheid und Straflosigkeit. Es braucht einen Rechenschaftsmechanismus, der den Opfern gerecht wird. Palästinenser*innen haben ein Recht auf Selbstbestimmung, sie müssen daher in alle Entscheidungen zu ihrer Zukunft einbezogen werden.

Die menschenrechtliche Situation in Israel und im Besetzten Palästinensischen Gebiet ist seit Jahrzehnten katastrophal. Die israelische Besatzung in Palästina ist die längste militärische Besetzung der Welt und gilt zudem als eine der tödlichsten. Seit Jahrzehnten ist sie durch großflächige und systematische Menschenrechtsverletzungen gegen Palästinenser*innen gekennzeichnet. Im Laufe der Jahre hat sich die militärische Besetzung zu einer Dauerbesatzung durch Israel entwickelt, die damit gegen das Völkerrecht verstößt. Die israelischen Behörden haben im gesamten Besetzten Palästinensischen Gebiet ein System der Unterdrückung und Herrschaft gegen Palästinenser*innen durchgesetzt, dass dem Verbrechen der Apartheid entspricht.

Vom 7. Oktober zum Genozid in Gaza

Im Gazastreifen herrscht eine chronische humanitäre Krise, die in erster Linie durch die seit Langem völkerrechtswidrige Blockade Israels verursacht ist. Nach den grauenvollen von der Hamas verübten Verbrechen vom 7. Oktober 2023 hat der israelische Staat im Zuge seiner Militäroffensive Leid und Zerstörung über die Palästinenser*innen im Gazastreifen gebracht und vor unser aller Augen einen Genozid an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza begangen.

Seit Oktober 2023 hat die israelische Armee Hunderttausende Menschen vertrieben und ihre Lebensgrundlagen systematisch zerstört, Zehntausende wurden verletzt und getötet. Die gesamte Infrastruktur, Wohnhäuser, Straßen, Krankenhäuser, Schulen, wurde zerstört, das Gesundheitssystem und die Nahrungsmittelproduktion sind praktisch zum Erliegen gekommen.

Es ist seit Monaten eine humanitäre Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Der Hunger breitet sich in Gaza aus, Kinder sterben an Unterernährung. Mütter können nicht mehr stillen. Familien stehen vor der Wahl: Verhungern – oder das Risiko eingehen, beim Essen holen erschossen zu werden.

Trotz internationaler Kritik blockiert Israel systematisch lebenswichtige Hilfslieferungen in den Gazastreifen und setzt Hunger gezielt als Kriegswaffe ein. Nahrung, Wasser, Medikamente kommen nicht mehr an. Das Verteilprogramm für Hilfslieferungen GHF ist zur Gefahr für die palästinensische Bevölkerung geworden, wie hunderte Tötungen zeigen.

Ammesty Untersuchung belegt Genozid

Der israelische Staat schafft damit vorsätzlich die Bedingungen für die Zerstörung der palästinensischen Bevölkerung in Gaza. Das ist Genozid. Und die österreichische Regierung schaut zu und belässt es bei leeren Worten.

Amnesty International kommt aufgrund der gesammelten Belege zu dem Schluss, dass der Staat Israel durch seine Politik, Handlungen und Unterlassungen einen Genozid an den Palästinenser*innen im Gazastreifen begangen hat und weiterhin begeht. Die im Dezember 2024 veröffentlichte, umfassende Untersuchung zeigt auf, dass Israels Handlungen unter den Geltungsbereich der Völkermordkonvention fallen. Israel begeht die in der Konvention definierten Handlungen mit dem Vorsatz, Palästinenser*innen im Gazastreifen als Gruppe zu zerstören.

Die internationale Gemeinschaft muss den Druck auf Israel aufrechterhalten, damit in der Region endlich Gerechtigkeit einkehrt!

Unsere Recherchen ergeben, dass Israel Handlungen mit dem Vorsatz verübt, palästinensisches Leben im Gazastreifen auszulöschen.

Shoura Zehetner-Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich

Amnesty International stellt angesichts des Genozids und ausbleibender Gerechtigkeit die folgenden Forderungen:

  • Amnesty International fordert politische Entscheidungsträger*innen weltweit und insbesondere auch die österreichische Bundesregierung auf, klar Stellung zu beziehen: Sie müssen den Genozid an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza öffentlich anprangern, die Versorgung der Bevölkerung in Gaza mit dringend benötigter humanitärer Hilfe sicherstellen und Rechenschaft einfordern.
  • Die österreichische Bundesregierung muss konkrete Maßnahmen setzen, um den Genozid und die Straflosigkeit zu beenden. Sie muss insbesondere auf EU-Ebene einer Aussetzung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens, bzw. zumindest Teilen davon, und Sanktionen gegen Vertreter*innen Israels zustimmen. Sie muss außerdem dringend sicherstellen, dass alle Waffenlieferungen und militärische Unterstützung an Konfliktparteien umgehend gestoppt werden.
  • Amnesty International fordert die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) auf, dringend zu erwägen, den Straftatbestand des Völkermords in die Liste der von ihr untersuchten Verbrechen aufzunehmen und alle Staaten aufzufordern, die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, die dafür Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Niemand darf einen Völkermord begehen und ungestraft bleiben.
  • Amnesty International ruft alle Konfliktparteien zu einem dauerhaften, nachhaltigen Waffenstillstand auf, um weitere Verluste unter der Zivilbevölkerung zu verhindern und den Zugang zu lebensrettenden Hilfsgütern für die Menschen sicherzustellen.
  • Die sterblichen Überreste aller toten Geiseln im Gazastreifen und aller toten palästinensischen Gefangenen und Inhaftierten müssen sofort und bedingungslos an die Angehörigen übergeben werden. Alle willkürlich inhaftierten Palästinenser*innen müssen freigelassen werden.
  • Die laufenden Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs zur Lage in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten müssen umfassend fortgesetzt werden und die volle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und alle erforderlichen Mittel erhalten. Gegenstand dieser umfassenden Ermittlungen müssen Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte aller Konfliktparteien sein.

Ein nachhaltiges Ende des Genozids in Gaza, der Besatzung und der Apartheid und der bedingungslose Schutz von Zivilist*innen müssenan oberster Stelle stehen. Alle Parteien dieses Konfliktes müssen sich an das humanitäre Völkerrecht und die Genfer Konventionen halten, Verantwortliche müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist nicht verhandelbar.

Gestützt auf Recherchetätigkeit und Verifizierung von Fakten beobachtet und dokumentiert Amnesty International weiterhin die Handlungen aller Konfliktparteien. Unsere Untersuchungen zu Menschenrechtsverletzungen werden hier veröffentlicht. Wenngleich unser Anspruch ist, so schnell wie möglich über Menschenrechtsverletzungen zu informieren, können umfassende Untersuchungen im Sinne der gebotenen Sorgfalt teilweise Wochen, Monate oder in manchen Fällen Jahre bis zu ihrer Veröffentlichung benötigen.