Case StudIES
Gewalt gegen LGBTQIA+ Personen im kenianischen Flüchtlingslager Kakuma
Lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTQIA+), die als Schutzsuchende in Kenia leben, sind immer wieder Hassverbrechen, Gewalt – auch Vergewaltigungen – und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Das dokumentiert Amnesty International zusammen mit der kenianischen NGO National Gay and Lesbian Human Rights Commission (NGLHRC) in einem gemeinsamen Bericht.
Das Flüchtlingslager Kakuma im Nordwesten Kenias beherbergt mehr als 200.000 Schutzsuchende, darunter hunderte LGBTQIA+ Personen. Der Bericht „Kenya: ‚Justice like any other person.’ Hate crimes and discrimination against LGBTI Refugees“ beschreibt die extreme Diskriminierung und Gewalt, der LGBTQIA+ Personen in Kakuma ausgesetzt sind – sowohl aufgrund ihres Status als Geflüchtete als auch wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität und/oder ihres Geschlechtsausdrucks.
Trotz der kenianischen Verfassung, die das Leben und die Würde aller Menschen schützt, werden LGBTQIA+ Geflüchtete von kenianischen Regierungsbeamt*innen, Polizist*innen und anderen Personen diskriminiert und sind meist mehrfach homo- und transfeindlichen Übergriffen ausgesetzt. Ihre Asylanträge werden schleppend bearbeitet, sie werden schikaniert, gewaltsam angegriffen, bedroht und eingeschüchtert. Die Täter*innen bleiben meist straflos.
In einem besonders schweren Fall verübten Unbekannte im März 2021 mit einer Benzinbombe einen Anschlag auf LGBTQIA+ Personen in Kakuma. Der 22-jährige Chriton Atuhwera verstarb einen Monat später aufgrund von Verbrennungen an über 50 Prozent seines Körpers. Er war aus Uganda nach Kenia geflüchtet, weil er in Uganda wegen seiner sexuellen Orientierung verfolgt wurde.
Der Bericht basiert auf Interviews mit 41 LGBTQIA+ Geflüchteten, die zwischen 2018 und Februar 2023 geführt wurden. Die in dem Bericht erfassten Aussagen deuten auf eine systematische und weit verbreitete Untätigkeit der Polizei im Flüchtlingslager Kakuma hin, wenn es darum geht, Anschuldigungen von geflüchteten LGBTQIA+ Personen wegen Hassverbrechen unverzüglich, wirksam, unabhängig und gründlich zu untersuchen.
Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf transsexuelle Menschen in Asien
Trans* Personen, die bereits vor der Pandemie tief verwurzelten und anhaltenden strukturellen Ungleichheiten und Diskriminierungen ausgesetzt waren, sahen sich durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in ihrer bereits bestehenden Marginalisierung verschärft und litten unverhältnismäßig stark.
Der Bericht "Pandemic or not, we have the right to live" von Amnesty International dokumentiert die allgegenwärtigen Hindernisse beim Zugang zu Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung, Wohnraum, lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sowie sozialer Unterstützung, die Trans* Personen vor dem Hintergrund fehlender rechtlicher Anerkennung des Geschlechts, Stigmatisierung, Diskriminierung, Gewalt und Kriminalisierung erfahren haben. Der Bericht zeigt die Erfahrungen von Trans* Personen in 15 Ländern in Süd-, Südost- und Ostasien sowie auf den Pazifischen Inseln während der COVID-19-Pandemie.
Verbot von LGBTQIA+ Veranstaltungen in der Türkei
Der 10. Mai 2019 hätte ein Tag des Feierns und der Freude an der Technischen Universität des Nahen Ostens (METU) in Ankara werden sollen. Melike Balkan und Özgür Gür hatten gemeinsam mit anderen Mitgliedern der „METU LGBTI+ Solidaritätsgruppe“ geplant, wie schon in den Jahren zuvor am Universitätscampus eine Pride Parade zu veranstalten. Doch die Situation für LGBTQIA+ Personen in der Türkei wird zunehmend schwieriger und das Vorgehen der Behörden immer feindseliger. Im November 2018 rief die Stadt Ankara ein allgemeines Verbot für LGBTQIA+ Veranstaltungen aus. Die Universitätsleitung teilte Melike und Özgür mit, dass die für den 10. Mai geplante Parade nicht stattfinden könne.
Daraufhin beschlossen die Mitglieder der Gruppe, stattdessen einen Sitzstreik zu veranstalten. Als Reaktion darauf erschienen Polizeibeamt*innen, die exzessive Gewalt und Tränengas gegen die friedlichen Demonstrierenden einsetzten. Die Polizei verhaftete mindestens 22 Student*innen – darunter Melike und Özgür – und eine Lehrperson. Einige der Festgenommenen hatten gar nicht an dem Protest teilgenommen. Obwohl sie nur ihr Recht auf friedlichen Protest ausgeübt haben, wurden 18 Studierende und die Lehrperson wegen „unerlaubter Versammlung“ angeklagt.
Beim Amnesty International Briefmarathon 2020 sandten Menschen von überall auf der Welt mehr als 445.000 Briefe, Faxe, Emails und SMS an die türkischen Behörden mit der Forderung, alle Anklagen gegen die 19 Betroffenen fallenzulassen. Die 18 Studierenden und das Mitglied des Lehrpersonals wurden in weiterer Folge freigesprochen.
Anti-Homosexualität-Gesetz in Uganda
Ugandas Präsident Yoweri Museveni hat Ende Mai 2023 ein Gesetz unterzeichnet, das die Gesetzeslage für Homosexuelle drastisch verschärft. Das „Anti-Homosexualität-Gesetz 2023“ sieht für gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen eine bis zu lebenslange Haftstrafe vor. Bereits der „Versuch“ homosexueller Handlungen kann mit zehn Jahren Haft bestraft werden. Künftig kann bei „schwerer Homosexualität“ sogar die Todesstrafe verhängt werden. Auch die „Bewerbung“ von Homosexualität soll unter Strafe gestellt werden, was Homofeindlichkeit Vorschub leistet.
Außerdem werden damit die Vereinigungs- und die Meinungsfreiheit weiter eingeschränkt, da Personen oder Gruppen, die sich für homosexuelle Personen einsetzen, mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden können. Das Gesetz kriminalisiert die Unterstützung von LGBTIQ+ Aktivitäten, sei es in Form von Sachleistungen oder finanziellen Mitteln. Es zielt offensichtlich auf Einzelpersonen, Medien und Organisationen ab, die sich für LGBTIQ+ Rechte einsetzen.
Am 21. März 2023 verabschiedete das Parlament den Gesetzentwurf nahezu einstimmig – 387 der 389 teilnehmenden Abgeordneten stimmten dafür. Doch am 21. April 2023 weigerte sich der ugandische Präsident Yoweri Museveni zunächst, das „Anti-Homosexualität-Gesetz 2023“ zu unterzeichnen. Er äußerte Bedenken, das Gesetz könnte rechtlich angreifbar sein und gab die erste Version zur Überarbeitung an das Parlament zurück. Am 2. Mai stimmten 341 Abgeordnete für den geänderten Gesetzentwurf und schickten ihn erneut an Präsident Museveni, der ihn am 29. Mai unterzeichnete.
Amnesty International fordert die Abschaffung dieses ungeheuerlichen Gesetzes und ruft die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf die ugandische Regierung auszuüben, damit diese die Rechte von LGBTQIA+ in Uganda angemessen schützt.