Die genaue Anzahl der Protestierenden, die in der berüchtigten Hafteinrichtung Akrestsina in Minsk oder in anderen Gefängnissen willkürlich inhaftiert wurden, ist bisher nicht bekannt. Anfang Dezember 2020 waren es laut Angaben des UN-Hochkommissars für Menschenrechte jedoch bereits mehr als 27.000 Personen. Und immer noch nehmen die Sicherheitskräfte willkürlich Menschen fest.
Beispielloses Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen: Internationale Gemeinschaft muss handeln
Die Recherchen von Amnesty International zeigen, dass in Belarus das Justizsystem dazu missbraucht wird, die Opfer von Folter zu bestrafen – anstatt die dafür Verantwortlichen. Die Menschenrechtsbewegung fordert die internationale Gemeinschaft mit Nachdruck auf, Position zu beziehen: Betroffene von Folter und Misshandlung müssen Gerechtigkeit erfahren und Verantwortliche müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
„Regierungen sowie internationale und regionale Organisationen müssen ihren Einfluss geltend machen, um die belarussischen Behörden dazu zu bewegen, diesem Angriff auf die Menschenrechte ein Ende zu setzen. Wir appellieren zudem eindringlich an die internationale Gemeinschaft, mit allen verfügbaren Maßnahmen für Gerechtigkeit in Belarus zu sorgen”, sagt Marie Struthers, und sagt weiter:
„Das beispiellose Ausmaß der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen sowie die absolute innerstaatliche Straflosigkeit der Verantwortlichen erfordert die Umsetzung bzw. Einrichtung internationaler Mechanismen zur Untersuchung und Strafverfolgung dieser Verstöße. Die internationale Gemeinschaft darf nicht tatenlos zusehen.”
Straflosigkeit, Repressalien und Einschüchterung
Die belarussischen Behörden haben eingeräumt, mehr als 900 Anzeigen über Menschenrechtsverletzungen durch Ordnungskräfte während der Demonstrationen erhalten zu haben. Nichtsdestotrotz wurde kein einziges strafrechtliches Verfahren eingeleitet. Diejenigen, die Anzeige erstatteten, wurden drangsaliert und mit bürokratischen Hürden, Verzögerungstaktiken und anderen Hindernissen konfrontiert – während sie versuchten, sich in einem System zurechtzufinden, das dazu ausgelegt ist, sie zu entmutigen und einzuschüchtern und ihre Anzeigen und die eingereichten Beweise zu entkräften.
Statt für die Strafverfolgung derjenigen zu sorgen, denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft am 28. Oktober 2020, dass 657 Strafverfahren gegen Protestierende eingeleitet worden seien; mehr als 200 Menschen seien bereits wegen mutmaßlicher Massenunruhen und Gewalt gegen Polizeikräfte angeklagt worden.
Zivilgesellschaftliche Organisationen haben zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen friedliche Protestierende auf der Grundlage politisch motivierter und konstruierter Anklagen vor Gericht gestellt wurden.
Hintergrund
Belarus ist auf der Grundlage des Völkerrechts verpflichtet, die Menschenrechte aller Personen innerhalb des Landes zu achten und zu schützen. Dies bedeutet auch, dass das absolute Folterverbot aufrechterhalten und Folter entsprechend untersucht und bestraft werden muss.