Das Kopftuchverbot stellt einen einseitigen und diskriminierenden Eingriff dar, da es gezielt muslimische Mädchen betrifft © APA-Images / Bernd Thissen
Das Kopftuchverbot stellt einen einseitigen und diskriminierenden Eingriff dar, da es gezielt muslimische Mädchen betrifft © APA-Images / Bernd Thissen
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Während die UN strukturelle Diskriminierung in Österreich prüft, will die Regierung diskriminierendes Kopftuchverbot im Nationalrat verabschieden

9. Dezember 2025

Zum ersten Mal befindet sich aktuell die UN-Sonderberichterstatterin für Rassismus, Ashwini K.P., zu einem offiziellen Besuch in Österreich, um die Situation im Land in Hinblick auf strukturellen Rassismus zu prüfen. In Wien wird sie heute zum Abschluss ihres Aufenthaltes ihre ersten Beobachtungen präsentieren. Am 11. Dezember, einen Tag nach dem Internationalen Tag der Menschenrechte, soll im Nationalrat ein diskriminierendes Gesetz verabschiedet werden: Das Kopftuchverbot für Mädchen bis 14 Jahre. Amnesty International appelliert erneut an den Nationalrat von der Verabschiedung dieses diskriminierenden Gesetzes Abstand zu nehmen.

Trotz Anpassungen: Die Diskriminierung im Gesetz bleibt bestehen

Amnesty International hat die Bundesregierung bereits während der Begutachtungsfrist eindringlich aufgefordert, von der geplanten Einführung des Kopftuchverbotes abzusehen. Die vorgenommenen Änderungen, die noch am Gesetz vorgenommen wurden, haben den Hauptkritikpunkt (nämlich Diskriminierung) nicht behoben.

Das Gesetz, welches am 11. Dezember im Nationalrat verabschiedet werden soll, betrifft gezielt nur eine bestimmte Personengruppe – muslimische Mädchen unter 14 Jahren. Damit wird ein zentrales Kernelement des Menschenrechtsschutzes, nämlich das der Nichtdiskriminierung, aufgrund des Geschlechts und der Religion verletzt. 

Dass man trotz aller Warnungen aus Zivilgesellschaft und von Betroffenen an einem diskriminierenden Gesetz festhält, ist absolut unverständlich. Dieses Gesetz in dieser Form zu verabschieden, wird nicht Mädchen stärken – im Gegenteil, es wird zum bestehenden rassistischen Klima gegenüber Muslim*innen beitragen.

Ronya Alev, Advocacy & Research Officer bei Amnesty International Österreich

Amnesty International begrüßt grundsätzlich Maßnahmen zur Förderung der Selbstbestimmung und Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen in Österreich. Diese dürfen jedoch in keinster Form das Prinzip der Nichtdiskriminierung verletzen. Österreich ist verpflichtet, Diskriminierung von Frauen und Mädchen in jeglicher Form zu beenden – auch in Verbindung mit Religion, Kultur oder Herkunft – und darf bestehende Vorurteile und Stereotype gegenüber Muslim*innen in der Gesellschaft nicht weiter befeuern. Mit einem Kopftuchverbot, das ausschließlich muslimische Mädchen betrifft und dadurch selbst offensichtlich diskriminierend ist, wird das aus Sicht von Amnesty nicht gelingen. 

Kindeswohl bedarf Einzelfallprüfung

Als globale Menschenrechtsbewegung setzt sich Amnesty International dafür ein, dass Frauen und Mädchen, die sich dazu entscheiden, sich in religiöser oder kultureller Hinsicht auf bestimmte Weise zu identifizieren, dies selbstbestimmt tun können. Ohne Zwang und Gewalt. 

Bundesminister Wiederkehr und Bundesministerin Plakolm begründen die Maßnahme mit dem Schutz vor Fremdbestimmung und betonen den Vorrang des Kindeswohls. Ein allgemeines Verbot steht mit diesem Grundsatz nicht im Einklang; besser wäre eine individuelle Beurteilung jedes Einzelfalls, die das persönliche Umfeld, die Lebenssituation und die konkreten Bedürfnisse des betroffenen Kindes berücksichtigt.