Humanitäre Lage spitzt sich zu
Mitarbeiter*innen internationaler und lokaler Hilfsorganisationen sagten Amnesty International, dass das Zusammenspiel mehrerer Faktoren zu einem Worst-Case-Szenario geführt hätte: der Abzug der US-amerikanischen Truppen aus dem Nordosten Syriens, die türkische Militäroffensive und die Beteiligung syrischer Regierungstruppen an den Kämpfen.
Es besteht große Sorge um die 100.000 Vertriebenen und ihren Zugang zu Nahrung, Trinkwasser und Medikamenten, sowie die langfristigere Bereitstellung von Hilfsleistungen. In den Lagern für Binnenvertriebene wie z. B. dem Flüchtlingslager al-Hol ist die Bevölkerung komplett von humanitärer Hilfe abhängig. Am 10. Oktober warnten 14 internationale humanitäre Einrichtungen, dass die Offensive den Zugang der Bevölkerung zu Hilfslieferungen abschneiden könnte. Einige Tage später schätzte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, dass die Kampfhandlungen zur Vertreibung von 300.000 Menschen und damit zu einer massiven Wasserknappheit führen könnten.
Viele vertriebene Menschen wissen nicht wohin und schlafen auf der Straße, in Gärten oder in Waldstücken. Manche suchen in Schulen Schutz.
In Derbassiya besteht etwa 90% der Bevölkerung aus Binnenvertriebenen. Ein Mann, der mit seiner Familie dorthin geflohen war, sagte Amnesty International, dass etwa die Hälfte davon bei Verwandten im Süden untergekommen sei und der Rest in Schulen und Moscheen Unterschlupf gesucht habe.
„In Süd-Derbassiye gibt es keine humanitären Organisationen. Wir haben keine gesehen. Wir brauchen grundlegende Dinge wie Wasser, Nahrungsmittel, Kleidung, Decken und Matratzen. Wir brauchen eine medizinische Klinik... der Winter kommt. Wir brauchen eine Lösung, besonders für die Familien, die im Freien leben“, sagt er.
Ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation berichtete Amnesty International: „Menschen, die bereits an chronischen Erkrankungen leiden, sind besonders gefährdet. Ihr Überleben hängt davon ab, wie lange diese Kämpfe andauern, und ob wir zukünftig noch arbeiten können.“
Viele Menschen zeigten sich sehr besorgt darüber, dass die Sicherheitslage zur vermehrten Evakuierung von Mitarbeiter*innen internationaler Organisationen führen könnte, und dass der Vormarsch syrischer Regierungstruppen ein Risiko für arabische und kurdische Mitarbeiter*innen sowie für Binnenvertriebene darstellen könnte. Es wird zudem befürchtet, dass Hilfsorganisationen in ihren wichtigen grenzübergreifenden Aktivitäten eingeschränkt werden könnten.
„Alle Konfliktparteien – einschließlich die Türkei, mit der Türkei verbündete bewaffnete Gruppen, die syrische Regierung und kurdische Truppen – müssen lokalen und internationalen humanitären Einrichtungen uneingeschränkten Zugang gewähren.
Die anhaltende Militäroffensive der Türkei hat dafür gesorgt, dass Tausende Menschen, die bereits vertrieben waren und sich an sicheren Orten befanden, diese nun wieder verlassen mussten. Die Angriffe der Türkei behindern lebensrettende Hilfsleistungen ein und es droht eine humanitäre Katastrophe in einem ohnehin bereits kriegsgerüttelten Land“, so Kumi Naidoo.