Staaten wie Großbritannien werden zu Recht wegen ihrer rücksichtslosen Waffengeschäfte vor Gericht gestellt. Doch Unternehmen, die von der Waffenlieferung an Länder profitieren, die in diese Konflikte verwickelt sind, ist es weitgehend gelungen, sich der Kontrolle zu entziehen“, sagt Patrick Wilcken, Experte für Waffenhandelskontrolle bei Amnesty International und sagt weiter:
„Nicht eines der von uns angesprochenen Unternehmen konnte belegen, seiner Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Menschenrechte angemessen nachgekommen zu sein. Dies zeugt nicht nur von einer alarmierenden Gleichgültigkeit gegenüber den menschlichen Kosten ihres Gewerbes. Es könnte auch dazu führen, dass diese Unternehmen und ihre Chef*innen wegen der Mittäterschaft an Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgt werden.“
Über Rolle von Unternehmen wird oft hinweggesehen
Amnesty befragte 22 Rüstungsunternehmen aus elf Ländern, darunter Airbus (Niederlande), Arquus (Frankreich), Boeing (USA), BAE Systems (Großbritannien), Leonardo (Italien), Lockheed Martin (Großbritannien), Raytheon (USA), Rosoboronexport (Russland), Thales (Frankreich) und Zastava (Serbien). Eine vollständige Liste der Antworten finden Sie hier.
Die menschenrechtlichen Verpflichtungen der Staaten zur Regulierung des internationalen Waffenhandels sind in Waffenhandelsabkommen und regionalen und nationalen Gesetzen klar definiert. Über die entscheidende Rolle der Unternehmen bei der Lieferung militärischer Güter und Dienstleistungen wird jedoch oft hinweggesehen – und das obwohl die Art ihres Gewerbes und ihrer Produkte bereits Risiken in sich birgt.
Waffen für den Einsatz im Jemen
Die Defence & Security Equipment International (DSEI) ist eine der weltweit größten Waffenmessen, sie findet dieses Jahr vom 10.-13. September statt. Zu den Ausstellern gehören Unternehmen, die mit der Lieferung von Waffen und Dienstleistungen für die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) angeführte Militärkampagne im Jemen Millionenbeträge verdient haben.
So hatten unter anderem BAE Systems, Boeing, Lockheed Martin und Raytheon wesentlichen Anteil an den Militäraktionen der Koalition, da sie eine Reihe von Kampfflugzeugen, die wiederholt zivile Objekte wie Häuser, Schulen, Krankenhäuser und Marktplätze getroffen haben, mit Waffensystemen ausgestattet haben.
Keines dieser Unternehmen erklärte, in welcher Form es seiner Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte nachgekommen war, um die Risiken der Lieferung von Waffen und Dienstleistungen an die von Saudi-Arabien und den VAE geführte Koalition zu bewerten und zu verhindern.
In einem Fall konnte Amnesty International den Splitter einer Bombe vom Schauplatz eines Luftangriffs in Sana'a, bei dem 2017 sechs Kinder und ihre Eltern getötet wurden, zum Raytheon-Werk in Arizona zurückverfolgen.
Auf die Frage von Amnesty International, welche Schritte Raytheon unternommen habe, um diesen Vorfall zu untersuchen und darauf zu reagieren, gab das Unternehmen folgende Antwort: „Aufgrund von rechtlichen Beschränkungen, Kundenbelangen ... gibt Raytheon keine Informationen zu seinen Produkten, Kunden oder betrieblichen Fragen weiter.“
Außerdem hieß es, dass der Export von militärischem und sicherheitstechnischem Gerät „einer umfassenden Überprüfung durch US-Außenministerium, Verteidigungsministerium und Kongress unterliegt“.
Auslagerung der Verantwortung
„Die meisten Unternehmen wiesen in ihrer Antwort an Amnesty International darauf hin, dass ihre Heimatstaaten im Rahmen der Waffengenehmigungsverfahren für die Bewertung der Risiken für die Menschenrechte zuständig seien“, sagt Patrick Wilcken und sagt weiter:
„Doch die staatliche Regulierung befreit Unternehmen – unabhängig davon, in welchem Sektor sie tätig sind – nicht von der Einhaltung ihrer eigenen Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte. Sich hinter den Regierungen zu verstecken, reicht nicht. Vor allem dann nicht, wenn sich gezeigt hat, dass bei der Erteilung von Genehmigungen Fehler begangen wurden, und Regierungen, die diese Genehmigungen erteilen, selbst wegen ihrer Beteiligung an Kriegsverbrechen und anderen Verletzungen der Menschenrechte in der Kritik stehen.“
Unternehmen weisen Verantwortung von sich
BAE Systems beschrieb die Schlussfolgerungen von Amnesty International als „falsch und irreführend“ und fügte hinzu, dass BAE Systems im Rahmen seiner Handelspolitik „eigene angemessene Richtlinien und Prozesse unter Wahrung von Gesetzen und Vorschriften“ anwende. Auf die Frage nach der Einhaltung der Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Menschenrechte im Zusammenhang mit Handelsgeschäften des Unternehmens mit Saudi-Arabien antwortete das Unternehmen jedoch Folgendes: „Unsere Aktivitäten in Saudi-Arabien unterliegen der Genehmigung und Aufsicht durch die britische Regierung.“
Das Unternehmen Leonardo gab an, dass die Schlussfolgerungen von Amnesty International „nicht ganz fair“ seien und das Unternehmen seiner Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte in einem Maße nachkomme, das über die Einhaltung nationaler Gesetze und Vorschriften über die Genehmigung von Waffenexporten hinausgehe. Allerdings erläuterte das Unternehmen nicht näher, wie dies konkret in der Praxis aussieht – beispielsweise beim Export von Rüstungsgütern an die Koalition aus Saudi-Arabien und den VAE für den Einsatz im Jemen-Konflikt.
Keine Rückmeldung von 14 Unternehmen
14 Unternehmen haben auf die Anfrage von Amnesty gar nicht reagiert. Dazu gehört der russische Waffenexporteur Rosoboronexport. Das Unternehmen beliefert die syrische Armee, der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden, mit militärischem Gerät. Keine Antwort gab es auch von Zastava, einem serbischen Unternehmen, dessen Gewehre Amnesty mit einer grausamen Massenhinrichtung in Kamerun in Zusammenhang bringen konnte; oder von Arquus (ehemals Renault Trucks Défense), einem französischen Unternehmen, das gepanzerte Fahrzeuge nach Ägypten geliefert hat, wo sie dazu benutzt wurden, brutal gegen Menschen vorzugehen, die kritische Meinungen äußerten.
Amnesty International fordert Rüstungsunternehmen auf
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das bisherige Verhalten ihrer Kunden anhand von Menschenrechtsstandards zu überprüfen,
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hohe Erwartungen hinsichtlich der Einhaltung internationaler Menschenrechtsnormen vertraglich festzuhalten, deren Einhaltung durch ihre Kunden kontinuierlich zu überwachen und
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regelmäßig zu überprüfen und Möglichkeiten zur Beeinflussung des Kundenverhaltens zu nutzen.