Polen ignoriert Anweisungen des EGMR
Am 20. August haben alle 32 Afghan*innen, die an der Grenze festsaßen, mit Hilfe von Rechtsbeiständen Anträge auf internationalen Schutz in Polen gestellt und damit ihren Wunsch bekundet, in Polen zu bleiben. Die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 25. August erlassene und am 27. September verlängerte einstweilige Verfügung weist Polen an, der Gruppe Hilfe zu gewähren, darunter „angemessene Nahrung, Wasser, Kleidung, medizinische Versorgung und, wenn möglich, eine vorübergehende Unterkunft". Der EGMR weist auch darauf hin, dass die Gruppe von Afghan*innen angegeben hat, bereits am 8. August auf polnisches Gebiet gelangt und zurückgeschoben worden zu sein. Polen hat die Anweisungen des EGMR bislang nicht umgesetzt.
Keine Überprüfung der Situation möglich
Seit dem Vorfall sitzt die Gruppe zwischen polnischen und belarussischen Grenztruppen fest. Polen hat die Bewegungsfreiheit in dem Gebiet eingeschränkt und am 20. August Regeln eingeführt, nach denen an der Grenze aufgegriffene Personen nach Belarus zurückgeschoben werden können. Am 3. September verhängte Polen den „Ausnahmezustand" an der Grenze zu Belarus, wodurch Journalist*innen und NGOs der Zugang zu dem Gebiet verwehrt wurde. Der „Ausnahmezustand" verhindert die Überprüfung möglicher Menschenrechtsverletzungen und gibt Anlass zu Besorgnis über die Behandlung von Menschen auf der Flucht und Migrant*innen in dem Gebiet, einschließlich der rechtswidrigen Rückführung anderer Personen über die Grenze nach Belarus. Seit dem 19. September sind fünf Menschen im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus gestorben, unter anderem an den Folgen von Unterkühlung.
„Die furchtbare Situation, in der sich die Afghan*innen an der Grenze befinden, ist von der polnischen Regierung geschaffen worden. Die Ausrufung des ‚Ausnahmezustands' ist unrechtmäßig und muss aufgehoben werden. Die Situation an den Grenzen des Landes stellt nach europäischer und internationaler Definition keinen öffentlichen Notstand dar", sagte Eve Geddie.