„Je mehr sie angegriffen werden, desto größer ist die Notwendigkeit, für sie zu kämpfen, sie zu bewahren und zu schützen. Wenn kritische Stimmen kurz vor der kompletten Auslöschung stehen, ist für die türkische Zivilgesellschaft und die Erhaltung der Menschenrechte ein absolut alarmierender Punkt erreicht."
„Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und alle, die in der Türkei klar Position beziehen, sind unglaublich mutige Menschen. Denn sie zahlen einen hohen Preis, für sich persönlich und für ihre Liebsten.“
Die Regierung missbraucht unter anderem die Justiz als politisches Instrument, um kritische Stimmen – Oppositionelle, Journalist*innen NGO Mitarbeiter*innen - mundtot zu machen. Die Auswirkungen sind für weite Teile der Bevölkerung zu spüren:
- Über 100.000 Menschen wurden aus dem öffentlichen Dienst entlassen, ohne ordnungsgemäßen Prozess. Viele sind seit über einem Jahr ohne Einkommen oder Mittel zum Leben.
- Über 50.000 Menschen befinden sich in Haft und warten monatelang auf ihren Prozess, viele von ihnen auf Basis von absurden Anschuldigungen, für die es keine Beweise gibt. Darunter befinden sich über 140 Journalist*innen und Medienschaffende.
- Über 180 Zeitungen, TV-Stationen, Zeitschriften und Verlage sind geschlossen, tausende Mitarbeiter*inne sind arbeitslos.
In diesem Zusammenhang wurden auch prominente Menschenrechtsverteidiger*innen, darunter Idil Eser, Direktorin von Amnesty International Türkei, und Taner Kilic, Vorstandsvorsitzender von Amnesty International Türkei, inhaftiert: Das erste Mal in der Geschichte von Amnesty International sind zwei führende Mitglieder der Organisation in eines Landes eingesperrt.
Je mehr Kritiker*innen mundtot gemacht werden, umso weniger kann ein öffentlicher Dialog geführt werden. Die Stimmen der verhafteten Menschenrechtsvereidiger*innen fehlen im öffentlichen Diskurs. Amnesty International bezeichnet ihre Verhaftungen als Justizfarce und fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung der Menschenrechtsverteidiger*innen und die dringende Rückkehr zu rechtsstaatlichen Prinzipien in der Türkei. Amnesty ruft alle Regierungen auf, klar gegen dieses Vorgehen Position zu beziehen. Die Zivilgesellschaft und die Menschenrechtsbewegung in der Türkei brauchen jetzt die weltweite Solidarität, nur so können sie überleben.
Ungarn - Gesetz zerstört Vertrauen in NGOs
Am 13. Juni 2017 verabschiedete das ungarische Parlament ein umstrittenes Gesetz: Das sogenannte Lex NGO schreibt Nichtregierungsorganisationen, die pro Jahr mehr als 24.000 Euro aus dem Ausland erhalten, vor, sich als „aus dem Ausland finanzierte, zivilgesellschaftliche Organisation“ registrieren zu lassen. Das Gesetz verstößt gegen fundamentale Rechte und Normen und dient ausschließlich dazu, kritische Stimmen und NGOs zu diffamieren, kritisiert Amnesty.
Auch Amnesty International Ungarn ist von dem Gesetz betroffen. Die Menschenrechtsorganisation hat sich aber gemeinsam mit anderen NGOs dazu entschieden, das Gesetz anzufechten und sich nicht registrieren zu lassen. Die Klage beim ungarischen Verfassungsgerichtshof wurde am 31. August eingebracht. Sollte diese erfolglos bleiben, wird beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde eingereicht.
Konkret sprechen drei Argumente gegen das Gesetz:
- Die Regierung hat das Gesetz unter dem Vorwand beschlossen, gegen Geldwäsche vorzugehen und mehr Transparenz zu schaffen. Doch gibt es keine Beweise dafür, dass terroristische Organisationen oder kriminelle Netzwerke über NGOs Geld waschen. Außerdem sind alle finanziellen Details, die die Regierung von den NGOs abfragt, bereits auf ihren Webseiten veröffentlicht und den ungarischen Gerichten zugänglich. Das Gesetz ist also überflüssig und dient ausschließlich dazu, NGOs zu stigmatisieren.
- NGOs, die als „aus dem Ausland finanzierte Organisation“ registriert sind, müssen dieses Stigma in jeder Publikation und in jedem formalen Statement anführen. Da NGOs, wie Amnesty International Ungarn, von Geldern aus dem Ausland abhängig sind, erschwert das empfindlich ihre Arbeit. Damit schränkt das Gesetz das Recht auf Vereinigungsfreiheit ein.
- Laut dem neuen Gesetz müssen die Namen der Spender*innen bekanntgegeben werden. Das verstößt gegen das Recht auf Privatsphäre und wichtige Datenschutzbestimmungen.