Unklar ist beispielsweise die gesetzliche Regelung für allgemeine Betretungsverbote im öffentlichen Raum – die auf der bisherigen gesetzlichen Regelung beruhende Verordnung wurde von Expert*innen scharf kritisiert und vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Unter anderem bleibt nach wie vor offen, inwiefern durch die vorgeschlagene Änderung das Betreten von privaten Wohnungen geregelt werden kann.
Ein Betretungsverbot für private Wohnungen würde einen massiven Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens darstellen und darf nur auf gesetzlicher Grundlage und unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen, fordert Amnesty.
„Betretungsverbote sind ein massiver Eingriff in unsere Grundrechte – und je weiter der Grundrechtseingriff, umso klarer und präziser muss die gesetzliche Grundlage formuliert werden. Unklare Regelungen lösen auch Unsicherheit bei den Menschen aus – das haben wir in den vergangenen Monaten bei anderen COVID-19-Regelungen wiederholt beobachtet. Die Regierung darf den Fehler nicht wiederholen“, sagt Heinz Patzelt.
Widersprüchliche Bestimmungen gefährden Rechtssicherheit und Rechtsschutz
Widersprüchlich und unklar ist auch die Bestimmung, die eine gesetzliche Grundlage zur Kontaktdatenverarbeitung von Gästen, Besucher*innen, Kund*innen und Mitarbeiter*innen schafft: Einerseits sieht der Gesetzesentwurf die ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen zur Datenverarbeitung vor, andererseits darf jedoch nicht der Eintritt oder eine Dienstleistung verweigert werden, wenn die Einwilligung zur Datenverarbeitung abgelehnt wird. Außerdem bleibt unklar, welche Veranstalter*innen (Vereine, Gewerbe etc.) davon betroffen sind und wie wichtige Grundsätze wie Datensicherheit oder Löschung gewährleistet und überprüft werden.
„Diese Widersprüchlichkeiten öffnen willkürlichen Auslegungen Tür und Tor, die die Rechtssicherheit und den Rechtsschutz der Menschen gefährden können“, sagt Heinz Patzelt.
Positiv ist, dass die aktuellen Gesetzesänderungen – anders als bisherige COVID-19 Regelungen – von der Regierung in Begutachtung geschickt wurden und verschiedene Meinungen von Expert*innen und der Zivilgesellschaft gehört werden. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum der Begutachtungszeitraum auf nur zwei Wochen angelegt wurde (üblicherweise 6 Wochen).
„Einbindung und Dialog darf nie zum Selbstzweck werden. Gerade bei so einem sensiblen Thema wie COVID-19, bei dem verschiedene Menschenrechte gegeneinander abgewogen werden müssen, ist das Einbeziehen von vielen verschiedenen Perspektiven und ein offener Dialog besonders wichtig. Je ausführlicher, partizipativer und konsens-orientierter ein Begutachtungsprozess konzipiert wird, um so größer ist auch die Chance auf Akzeptanz und aktive Unterstützung der Menschen im Land“, sagt Heinz Patzelt.
Hintergrund
Amnesty International beobachtet, dokumentiert und analysiert seit Beginn der COVID-19-Pandemie in Österreich die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Im April veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation 9 Forderungen auf Basis eines ersten Zwischenberichts zu den bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie in Österreich. Im Juli veröffentlichte Amnesty eine Kurzanalyse zum Thema soziale Rechte & COVID-19 in Österreich.