„Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte sind Grundprinzipien der EU. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen Polen weiterhin dazu auffordern, dem Verstoß gegen diese Prinzipien ein Ende zu setzen und die Regierung zur Rechenschaft ziehen, wenn sie diese Praxis beibehält", sagt Barbora Černušáková, Researcherin für Polen bei Amnesty International.
Die polnische Regierung hat seit Ende 2015 eine Reihe von gesetzlichen und politischen Maßnahmen verabschiedet, die die Unabhängigkeit der Justiz untergraben. Darunter fallen
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die politisierte Ernennung von Richter*innen,
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die Möglichkeit des Justizministers, Präsident*innen und stellvertretende Präsident*innen von Gerichten zu ernennen sowie
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die Möglichkeit, Höchstrichter*innen in den Ruhestand zu schicken.
Die Regierung setzt außerdem Disziplinarverfahren gegen Richter*innen ein, die sich gegen die umstrittenen Justizreformen ausgesprochen haben. Viele müssen um ihren Arbeitsplatz fürchten.
Drohungen und Beleidigungen
Einer von den Betroffenen ist Richter Waldemar Żurek, ehemaliger Sprecher des Nationalen Justizrates: Er war jahrelang Einschüchterungsversuchen und Belästigungen ausgesetzt, nachdem er die „Reformen“ der Regierung öffentlich kritisiert hatte.
Verschiedene Behörden hatten gegen Żurek ungerechtfertigte Disziplinarverfahren eingeleitet. Auch seine Angehörigen wurden in ihre Untersuchungen hineingezogen. Er erhielt Drohbriefe, beleidigende Textnachrichten und wurde im nationalen Fernsehen diffamiert.
Wer Demonstrant*innen verteidigt, wird schikaniert
Auch Richter*innen, die mit ihren Entscheidungen die Rechte friedlicher Demonstrant*innen schützen, werden belästigt: Eine Frau sprach bei einer Kundgebung über die Rückschritte bei den Frauenrechten und die Bedrohungen der Justiz. Als sie dabei fluchte, wurde ihr dies als eine ordnungswidrige Handlung in der Öffentlichkeit zu Lasten gelegt.
Sławomir Jęksa, Richter am Bezirksgericht Poznań entschied, dass die Frau keine Straftat begangen hatte. Sie habe die Worte bei einer Demonstration gewählt, bei der die Redefreiheit „grundsätzlich weiter gefasst“ werden müsse. Wichtig sei auch, urteilte Jęksa, was die Demonstrantin im Zuge ihrer Rede über die Bedrohung der richterlichen Unabhängigkeit gesagt habe. Gegen Richter Jeksa wurde daraufhin ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Ankläger behauptete, das Urteil sei „politisch motiviert“ gewesen.