Landraub und Vertreibung von Indigenen
Die illegale Landaneignung geht häufig mit Drohungen, Einschüchterung und Gewalt einher. Einige Angehörige der Uru-Eu-Wau-Wau haben beschrieben, wie sie nachts Schüsse hörten oder wie ihre Kinder mit dem Tode bedroht wurden.
Andernorts wurden ganze Gemeinschaften von ihrem Land vertrieben und müssen bei einer Rückkehr um ihr Leben fürchten. Über die vergangenen 20 Jahre hinweg sind die meisten Bewohner*innen des Reservats Rio Jacy-Paraná vertrieben worden, um immer mehr Weideflächen zu erschließen.
Amnesty International hat Satellitenaufnahmen ausgewertet, die die Angaben der ehemaligen Bewohner*innen bestätigen: ehemals bewaldete Flächen sind nun gerodet und man kann weidende Rinder und Wasserlöcher erkennen.
Viehhaltung in Schutzgebieten stark angestiegen
In Brasilien müssen die Behörden der einzelnen Bundesstaaten per Gesetz umfassende Daten zur Viehzucht erheben. Hierzu zählen zum Beispiel Informationen über den Standort von Rinderfarmen, auch solche in Schutzgebieten. Diesen offiziellen Zahlen zufolge ist die kommerzielle Viehhaltung in Schutzgebieten – wo diese Praxis illegal ist – stark angestiegen. Zwischen November 2018 und April 2020 stieg die Zahl der gehaltenen Rinder um 22 Prozent an, von 125.560 auf 153.566.
In den allermeisten Fällen werden die Rinder von Farmen in Schutzgebieten zu anderen Ranches transportiert, bevor sie zum Schlachthof gebracht werden. Das bedeutet, dass selbst Fleischerzeugnisse von legalen Rinderfarmen möglicherweise von Rindern stammen, die zuvor illegal in Schutzgebieten geweidet wurden.
Amnesty International kommt zu dem Schluss, dass in den Bundesstaaten zuständigen Stellen für Tiergesundheitskontrollen wie z. B. IDARON, die entsprechende Behörde im Bundesstaat Rondônia, de facto die illegale kommerzielle Viehzucht ermöglichen, indem sie kommerzielle Rinderfarmen registrieren und ihnen Dokumente für Viehtransporte ausstellen, auch wenn sie sich in Reservaten oder indigenen Gebieten befinden.
Dubiose Lieferkette von JBS
In Brasilien sind Viehtransporte von Farm zu Farm an der Tagesordnung. In einigen Fällen registrieren Viehzüchter den Transport von Rindern von einer Farm in einem Schutzgebiet zu einer Farm außerhalb des Schutzgebiets, nur um dann einen separaten Viehtransport von der legalen Ranch zum Fleischproduzenten JBS anmelden zu können.
Laut Angaben von Expert*innen, mit denen Amnesty International gesprochen hat, gibt es Hinweise darauf, dass Rinder durch solche nachgeschalteten Ranches geschleust werden, um den Anschein von Legalität zu erwecken – eine Praxis, die als cattle laundering bekannt ist und existierende Überwachungsmechanismen umgeht.