Kennzeichnungspflicht: Individuelle Schuld oft nicht nachweisbar
Bei der Frage der wirksamen Untersuchungen ist auch die – noch immer nicht eingeführte – Kennzeichnungspflicht von Polizist*innen essenziell. Shoura Hashemi: „Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) hat Österreich bereits im Juni 2023 ausdrücklich aufgetragen, sicherzustellen, dass Polizist*innen identifiziert werden können. Und auch der EGMR verweist in einem Urteil auf die Wichtigkeit einer individuellen Kennzeichnung.“ Denn für eine Strafverfolgung Beschuldigter ist eine Identifikation unbedingt notwendig, da eine strafrechtliche Verurteilung die Feststellung der individuellen Schuld voraussetzt. Entsprechend fordert Amnesty International von der der kommenden Bundesregierung die Einführung einer anonymisierten, aber individuell zuordenbaren Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten. Die fehlende Kennzeichnungspflicht führe auch dazu, dass oftmals die untersuchten Fälle von Polizeigewalt nicht belegbar sind, „und nicht, wie das BMI behauptet, dass sie nicht haltbar sind“, so Shoura Hashemi.
Derzeit müssen sich Polizist*innen in Österreich bei Amtshandlungen auf Nachfrage hin mit ihrer Dienstnummer ausweisen, aber eine auf der Uniform erkenntliche Kennzeichnung gibt es nicht. In der Praxis ist solch ein Nachfragen oft für Betroffene nicht möglich. International ist eine Kennzeichnungspflicht als menschenrechtlicher Standard anerkannt und in Europa in den meisten Ländern umgesetzt. Nur in einigen wenigen Staaten – neben Österreich sind es Italien, die Niederlande, Luxemburg und Zypern – gibt es gar keine Form der Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamt*innen.