Eritreische Soldaten setzten Frauen schrecklichen Misshandlungen aus, darunter Vergewaltigung, Gruppenvergewaltigung und sexuelle Versklavung, während zahlreiche Männer außergerichtlich hingerichtet wurden, sagte Tigere Chagutah, Regionaldirektor für das östliche und südliche Afrika bei Amnesty International.
Die in dem Amnesty-Bericht dokumentierten schweren Verstöße stellen Kriegsverbrechen und möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.
Sexualisierte Gewalt und außergerichtliche Hinrichtungen
Amnesty International hat mit elf Frauen aus Kokob Tsibah gesprochen, die Vergewaltigung und sexuelle Sklaverei überlebten. Mehr als 40 Frauen in Kokob Tsibah berichteten einer lokalen zivilgesellschaftlichen Organisation, dass sie in der Zeit nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens vergewaltigt und sexuell versklavt worden waren. Einige Frauen wurden in einem Militärlager der eritreischen Streitkräfte vergewaltigt, andere in ihren eigenen Häusern oder in von den Streitkräften eingenommenen Häusern. In Verbindung mit weiteren von Amnesty International durchgeführten Recherchen können die in Kokob Tsibah dokumentierten Fälle von Vergewaltigung und sexueller Sklaverei als Teil eines umfassenden bzw. systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung betrachtet werden. Sie stellen möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.
Amnesty International hat mit Zeug*innen, Überlebenden und Familienangehörigen gesprochen, die Angaben zu der außergerichtlichen Hinrichtung von mindestens 20 Zivilpersonen, vornehmlich Männern, zwischen dem 25. Oktober und 1. November 2022 durch eritreische Streitkräfte in Mariam Shewito machten. Darüber hinaus trug ein Sozialarbeiter eine Liste mit mehr als 100 Namen von Personen zusammen, die im selben Zeitraum in Mariam Shewito außergerichtlich hingerichtet worden sein sollen. Amnesty International war allerdings nicht in der Lage, aus der Ferne alle diese Fälle unabhängig bestätigen zu lassen.
Angehörige der eritreischen Streitkräfte, die in Mariam Shewito und Kokob Tsibah stationiert waren, töteten bei Hausdurchsuchungen vorsätzlich Zivilpersonen, zumeist Männer. Bei diesen Hausdurchsuchungen suchten die Militärs vorgeblich nach Angehörigen der tigrayischen Streitkräfte und deren Unterstützer*innen. Amnesty International führte Gespräche mit vielen verschiedenen Personen, die alle nahelegten, dass es sich bei den Opfern der außergerichtlichen Hinrichtungen um Zivilpersonen handelte. Diese Tötungen wurden im Rahmen eines internen bewaffneten Konflikts begangen und stellen somit das Kriegsverbrechen des Mordes dar.
Die meisten der 49 Überlebenden, Zeug*innen und Familienangehörigen der Opfer, mit denen Amnesty International gesprochen hat, gaben an, dass eritreische Streitkräfte auch ihr Eigentum geplündert und ihr Vieh gestohlen haben. Viele Menschen müssen sich nun von ihren Familienmitgliedern Unterkunft und Nahrung erbitten, während manche betteln gehen, um zu überleben.
Verstöße müssen wirksam untersucht werden
Seit dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts in der Region Tigray im November 2020 hat Amnesty International völkerrechtliche Verbrechen und andere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße durch alle Konfliktparteien dokumentiert, auch durch die eritreischen Streitkräfte.
Eritrea und Äthiopien sind verpflichtet, Verbrechen unter dem Völkerrecht wirksam zu untersuchen und bei ausreichender Beweislage strafrechtlich zu verfolgen. Dies gilt auch für mutmaßliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dies muss im Einklang mit den internationalen Standards für faire Verfahren und ohne Anwendung der Todesstrafe geschehen.
Amnesty International appelliert an den Menschenrechtsrat der Uno, auf der 54. Sitzung am 11. September 2023 das Mandat der Internationalen Expert*innenkommission für Menschenrechte in Äthiopien (ICHREE) zu erneuern.
Darüber hinaus fordert Amnesty International die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker auf, die Entscheidung wieder rückgängig zu machen, das Mandat der im Mai 2021 eingesetzten Untersuchungskommission zur Lage in der Region Tigray zu beenden. Der Untersuchungskommission wurde im Juni 2023 das Mandat entzogen, noch bevor sie einen Abschlussbericht vorgelegt hatte.