„In Ägypten wird die Isolationshaft rechtswidrig als Mittel eingesetzt, um Andersdenkende auf Linie zu bringen oder angebliches Fehlverhalten von Gefangenen, die ohnehin unter vagen Anschuldigungen inhaftiert wurden, zu beenden“, sagt Bounaim.
„Die Verfolgung richtet sich nicht nur gegen ägyptische Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Angehörige der Opposition, die friedlich ihre Ansichten in der Öffentlichkeit vertreten, sondern wird auch in den Gefängnissen fortgesetzt“, sagt Bounaim.
Aufgrund der Schwere der Erkenntnisse reichte Amnesty International am 16. April ein Memorandum mit einer Zusammenfassung der Recherche bei den ägyptischen Behörden ein. Eine Reaktion darauf gab es bislang nicht.
Über den Bericht
Isolationshaft ist in allen ägyptischen Gefängnissen die Regel. Amnesty International hat sich bei diesem Bericht auf Gefangene konzentriert, die aus politischen Gründen inhaftiert wurden. Denn die Recherchen zeigten, dass diese Gefangenen eher Gefahr liefen, in verlängerte oder zeitlich unbefristete Isolationshaft genommen zu werden.
Amnesty International hat 91 Interviews mit neun ehemaligen Gefangenen und mit den Familienangehörigen von 27 aktuell Inhaftierten geführt. Die Interviews wurden zwischen März 2017 und April 2018 geführt.
14 Gefängnisse in sieben ägyptischen Gouvernements wurden in diesem Bericht untersucht, dazu gehörten das Liman-Tora-Gefängnis, das Tora-Ermittlungsgefängnis und das Tora-Hochsicherheitsgefängnis Nr. 1 (besser bekannt unter dem Namen Al-Aqrab oder Skorpiongefängnis). 20 der 36 in diesem Bericht genannten Gefangenen wurden in verlängerter Isolationshaft im Tora-Gefängniskomplex festgehalten.
Diese Gefängnisse befinden sich in Gouvernements, in denen die Sicherheitskräfte Tausende Personen aus politischen Gründen festgenommen und inhaftiert haben.
Hintergrund
Seit der Ablösung von Präsident Mohammed Mursi am 3. Juli 2013 durch Präsident Abdelfattah al-Sisi, der inzwischen die zweite Amtszeit begonnen hat, haben die ägyptischen Behörden Zehntausende Personen aufgrund politisch motivierter Anklagen eingesperrt.
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UPDATE: Reaktion der ägyptischen Behörden auf Amnesty-Bericht
Die ägyptischen Behörden haben auf den Amnesty-Bericht reagiert – sie leugnen die weitverbreitete Verwendung von verlängerter Einzelhaft. Ihre Antwort bestätigt, dass das richterliche Aufsichtssystem und die Menschenrechtsbeobachtung in ägyptischen Gefängnissen inadäquat und ineffektiv sind.
Amnesty International schrieb den ägyptischen Behörden am 16. und 17. April 2018 und übermittelte ihnen eine Zusammenfassung des Berichts über den missbräuchlichen Einsatz von Isolationshaft bei Gefangenen, die aus politischen Gründen inhaftiert sind. Amnesty forderte eine Stellungnahme und eine Klarstellung von den Behörden. Die 14-Seiten lange Antwort von den Behörden wurde am 3. Mai 2018 übermittelt.
Die ägyptischen Behörden bestreiten, dass der Einsatz von längerer Einzelhaft weit verbreitet ist, und behaupten, dass es einen Unterschied zwischen einer Einzelzelle und dem Halten von Gefangenen in „individuellen Zellen“ gibt. Allerdings ist die Gefangenschaft von über 22 Stunden pro Tag in einer Einzelzelle für mehr als 15 Tage – und nicht die Art der Zelle – ausschlaggebenden für illegale Isolationshaft.
„Wir begrüßen die Gelegenheit, mit den ägyptischen Behörden in Kontakt zu treten. Gleichzeitig sind wir enttäuscht davon, dass sie ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgehen. Gefangene monate- und jahrelang in Einzelzellen für 23 oder 24 Stunden täglich einzusperren ist grausam, unmenschlich und eine erniedrigende Behandlung“, sagt Najia Bounaim, Kampagnendirektorin bei Amnesty International für die Region Nordafrika.
„Die Menschenrechte in Ägypten befinden sich in einer Krise. Die ägyptischen Gefängnisse stehen beispielhaft dafür – sie sind Orte, wo grausame und unmenschliche Behandlungen besonders gravierend vorkommen.“