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US-Militärschläge fordern zivile Todesopfer in Somalia

20. März 2019

Zusammenfassung

  • Untersuchung erbringt stichhaltige Beweise für die Tötung von 14 Zivilpersonen bei fünf Luftangriffen
  • Seit Anfang 2017 wurden mehr als 100 Angriffe durch Drohnen und bemannte Flugzeuge der USA verübt
  • Militärschläge in Somalia haben sich unter Präsident Trump verdreifacht; mehr Angriffe als auf Jemen und Libyen zusammen

Mögliche Kriegsverbrechen müssen aufgedeckt werden

Recherchen von Amnesty International haben stichhaltige Beweise dafür erbracht, dass aggressive Luftangriffe der USA in Somalia zahlreiche zivile Todesopfer gefordert haben. Amnesty International fordert die US-Regierung auf, diese Vorfälle unparteiisch und genau untersuchen zu lassen.

Der neuer Amnesty-Bericht The Hidden US War in Somalia zeigt, dass in den vergangen zwei Jahren bei nur fünf US-Militärschlägen 14 Zivilperson getötet und acht verletzt wurden. Insgesamt führten die USA in diesem Zeitraum mehr als 100 Luftangriffe durch. Bei diesen fünf Militärschlägen wurden „Reaper-Drohnen“ und bemannte Flugzeuge eingesetzt, um Ziele in der Provinz Unter-Shabelle zu bombardieren. Die Region ist mehrheitlich unter der Kontrolle der bewaffneten Gruppe Al-Shabaab und liegt südlich der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Diese Luftangriffe sollen gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen haben, und einige von ihnen können möglicherweise als Kriegsverbrechen eingestuft werden.

Amnesty International legte der US-Kommandozentrale für Afrika (AFRICOM) ihre Rechercheergebnisse vor. AFRICOM stritt erneut ab, dass durch die Militäreinsätze in Somalia Zivilist*innen getötet worden seien.

„Nach unseren Erkenntnissen wurden in weniger als einem halben Dutzend Luftangriffen bereits zahlreiche Zivilpersonen getötet. Das deutet darauf hin, dass die Geheimhaltung der USA bezüglich ihrer Rolle im Somalia-Konflikt ein Klima der Straflosigkeit fördert“, so Brian Castner, Amnesty-Experte für Waffen und Militäreinsätze.

Das US-Militär behauptet steif und fest , es gäbe in Somalia keine zivilen Todesopfer. Die Ergebnisse unserer Recherchen beweisen das Gegenteil.

Brian Castner, Amnesty-Experte für Waffen und Militäreinsätze.

„Die Angaben des US-Militärs erscheinen auch deshalb fragwürdig, da die USA seit 2016 die Zahl der Luftangriffe in Somalia verdreifacht hat – sie führen nun in Somalia mehr Militärschläge durch als in Libyen und im Jemen zusammen.“

Mitarbeiter*innen von Amnesty International führten in Somalia mehr als 150 Gespräche mit Augenzeug*innen, Familienangehörigen, Binnenvertriebenen und Expert*innen, darunter auch Angehörige des US-Militärs. Zudem analysierte die Organisation unterstützendes Beweismaterial wie Satellitenbilder, Munitionsfragmente und fotografische Aufnahmen im Nachgang von Luftangriffen.

© 2019 Digital Globe

Mehr Militärschläge wegen schwächerer Schutzmechanismen

Die Anzahl US-amerikanischer Militärschläge in Somalia ist in die Höhe geschnellt, nachdem Präsident Trump am 30. März 2017 ein Dekret unterzeichnete, das Somalia als „Gebiet aktiver Kampfhandlungen“ auswies.

Von April bis Dezember 2017 verübten US-Truppen in Somalia 34 Militärschläge – das sind mehr als im gesamten Zeitraum 2012-2016. Im Jahr 2018 stieg diese Zahl nochmals an, und zwar auf 47. Allein im Januar und Februar 2019 sind bereits 24 Militärschläge verübt worden.

Laut Angaben eines pensionierten Brigadegenerals, mit dem Amnesty International gesprochen hat, muss das US-Militär mit zunehmender Zahl der Luftangriffe weniger Anstrengungen unternehmen, zu gewährleisten, dass keine Zivilpersonen getötet werden. Der General gab an, dass das Präsidentendekret von 2017 das Netz potenzieller Militärziele dahingehend ausgeweitet hat: Es umfasse nun so gut wie alle erwachsenen Männer, die in der Nähe von bekannten Kämpfern gesichtet werden und in Dörfern wohnen, die Al-Shabaab nahestehen. Ein derart breit gefasster Tötungsauftrag würde gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen und zur rechtswidrigen Tötung von Zivilpersonen führen.

Falsche Angaben zu zivilen Opfern

So verkündete AFRICOM beispielsweise nach einem Angriff auf das kleine Dorf Farah Waeys, dass „alle verletzten oder getöteten Personen Mitglieder oder Anhänger von Al-Shabaab“ gewesen seien. Amnesty International dokumentierte jedoch, dass zusätzlich zu der Tötung von Mitgliedern oder Anhängern von Al-Shabaab auch noch zwei männliche Zivilpersonen getötet und fünf Frauen und Kinder verletzt wurden.

In einem anderen Fall wurden bei einem US-amerikanischen Militärschlag auf Ackerflächen in der Nähe des Dorfes Darusalaam am frühen Morgen des 12. November 2017 drei vor Ort lebende Bauern getötet. Die Männer ruhten sich gerade aus, nachdem sie bis spät in die Nacht Bewässerungskanäle ausgehoben hatten.

Um etwa 3 Uhr morgens wurden sie ohne Vorwarnung aus der Luft angegriffen. Die Explosion veranlasste weitere Bauern dazu, sich in Sicherheit zu bringen, und weckte die Bewohner*innen zweier benachbarter Dörfer auf. Die Dorfbewohner*innen, die im Morgengrauen die Leichen der getöteten Männer bargen, beschrieben deren entsetzlich verstümmelten Körper.

Amnesty International hat Fotos der Leichen analysiert und festgestellt, dass diese sich mit den Zeugenaussagen decken. Zwei der Männer waren stark entstellt. Ein Geschützfragment war in die Stirn des ersten Mannes eingedrungen und hatte seinen Schädel verformt. Seine Unterarme waren nach hinten gerissen und bis auf einen dünnen Hautfetzen fast gänzlich abgetrennt worden. Der zweite Mann hatte zahlreiche Geschützfragmente im Gesicht, im Hals und in der Brust. Der dritte Mann wies eine große Wunde an der Seite des Körpers auf sowie eine kleine Wunde am Kopf, genau über dem rechten Auge.

Menschen in Somalia, die von US-Militärschlägen betroffen sind, haben so gut wie keine Chance auf Wiedergutmachung. Für die Betroffenen ist es beinahe unmöglich, einen getöteten oder verletzten Familienangehörigen oder Bekannten zu melden, da es sich um sehr entlegene Gegenden handelt und eine Anzeige ein zu großes Sicherheitsrisiko darstellt.

Die US-Regierung muss sicherstellen, dass alle glaubwürdigen Vorwürfe über zivile Opfer angemessen untersucht werden.

Ella Knight, Expertin für Militär-, Sicherheits- und Polizeithemen bei Amnesty International

„Jene, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, müssen zur Rechenschaft gezogen und die Opfer und Überlebenden entschädigt werden.“