„Der wiederholte Einsatz von weithin verbotener Streumunition ist schockierend und zeugt von absoluter Verachtung gegenüber dem Leben von Zivilpersonen. Die russischen Truppen, die für diese furchtbaren Angriffe verantwortlich sind, müssen zur Rechenschaft gezogen und die Betroffenen und ihre Angehörigen vollumfänglich entschädigt werden“, so Rovera weiter.
Der Leiter der medizinischen Abteilung der militärischen Regionalverwaltung in Charkiw sagte Amnesty International, dass in der Region Charkiw seit Ausbruch des Kriegs 606 Zivilpersonen getötet und 1.248 verletzt wurden. Die meisten der von Amnesty International untersuchten Angriffe führten in einem großen Radius zu zahlreichen Todesfällen.
Russland ist weder dem Übereinkommen über Streumunition noch dem Antipersonenminen-Übereinkommen beigetreten, doch das humanitäre Völkerrecht verbietet sowohl willkürliche Angriffe als auch den Einsatz von Waffen, die ihrer Natur nach unterschiedslos sind. Willkürliche Angriffe, die zu Toten oder Verletzten in der Zivilbevölkerung führen oder zivile Objekte beschädigen, sind als Kriegsverbrechen zu betrachten.
Spielplätze unter Beschuss
Am Nachmittag des 15. April beschossen russische Truppen die Gegend um die Myru-Straße im Bezirk Industrialnyi mit Streumunition. Mindestens neun Zivilpersonen wurden dabei getötet und mehr als 35 verletzt, darunter auch mehrere Kinder. Ärzt*innen der Stadtklinik Nr. 25 in Charkiw zeigten Amnesty International Metallsplitter, die sie aus dem Körper ihrer Patient*innen entfernt hatten; einige davon konnten eindeutig Streumunition vom Typ 9N210/9N235 zugeordnet werden.
Auf einem Spielplatz in der Nähe wurde die 41-jährige Oksana Litvynyenko in Begleitung ihres Mannes Ivan und ihrer vierjährigen Tochter durch explodierende Streumunition schwer verletzt. Granatsplitter drangen in ihren Rücken, ihre Brust und ihren Bauch ein und durchbohrten ihre Lunge und ihr Rückgrat. Sie verstarb tragischerweise am 11. Juni 2022. Dieser Angriff fand in der Nachmittagszeit statt, so dass viele weitere Familien ebenfalls mit ihren Kindern auf dem Spielplatz waren.
Ivan Litvynyenko berichtete Amnesty International am 26. April: „Plötzlich sah ich einen Lichtblitz... Ich riss meine Tochter an mich und drückte sie und mich an einen Baum, so dass sie zwischen dem Baum und mir in Sicherheit war. Es war sehr viel Rauch entstanden und ich konnte nichts sehen... Als der Rauch sich auflöste, sah ich Menschen am Boden liegen... meine Frau Oksana lag am Boden.“