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Swetlana Tichanowskaja über den Kampf für Freiheit in Belarus: "Es gibt keinen Weg zurück"

28. April 2021

Swetlana Tichanowskaja im Gespräch mit Amnesty International ÖSTERREICH

Die belarussische Oppositionelle und Aktivistin Swetlana Tichanowskaja kämpft aus dem Exil für die Menschen und ihre Rechte in Belarus. Seit den gefälschten Präsidentschaftswahlen im Sommer 2020 gehen Hunderttausende Belaruss*innen gegen Langzeit-Diktator Lukaschenko auf die Straße. Sie stehen mutig für ihre Rechte ein, trotz unvorstellbarer Brutalität, die ihnen entgegenschlägt. Die Regierung geht mit überschießender Gewalt gegen die friedlich Demonstrierenden vor, Tausende wurden inhaftiert, Hunderte gefoltert. Für Svetlana Tichanwskaja ist die Brutalität ein Zeichen dafür, dass das Regime verstanden hat, dass die Gesellschaft in Belarus sich weiterentwickelt hat und die Menschen nicht aufgeben werden. Bei einem Besuch in Wien sprach die Aktivistin mit Amnesty International über den Kampf für Freiheit und die wichtige Rolle, die weltweite Solidarität und der Druck der internationalen Gemeinschaft dafür spielt. 

Was möchten Sie den Amnesty-Unterstützer*innen sagen?

Swetlana Tichanowskaja: Die Belaruss*innen sind auf die internationale Gemeinschaft angewiesen, wenn es darum geht, ihre Rechte zu verteidigen und ihre Sache zu unterstützen. Die Krise in Belarus ist nicht nur ihre Krise. In Belarus geht es um Menschenrechte, Werte, Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit. Es geht darum, dass die Stimmen der Menschen respektiert werden, das Recht zu wählen und gewählt zu werden, und das Recht, sich friedlich zu versammeln. Dies sind universelle Werte. Eine klare Haltung der internationalen Gemeinschaft hierzu wird den Druck auf das Lukaschenko-Regime verstärken, und es wird einen Dialog über die Übergabe der Macht und neue freie und faire Wahlen beginnen müssen.  

Wie wichtig ist die internationale Unterstützung für die Menschen in Belarus? 

Wir fordern die westlichen Regierungen und die internationale Gemeinschaft auf, ihren politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Einfluss sowie ihr internationales diplomatisches Ansehen zu nutzen, um das belarussische Regime zu Verhandlungen mit den Vertretern der demokratischen Kräfte zu bewegen, um die politische Krise und Menschenrechtskrise zu beenden.

Die Menschen vor Ort sind aktiv und selbstorganisiert wie nie zuvor. Die Mehrheit der Belaruss*innen will Veränderungen – irgendwann wird es dem Regime unmöglich sein, das zu ignorieren. Deshalb brauchen wir auch die Bemühungen der westlichen Länder, um bei der Vermittlung von Verhandlungen zu helfen und einen umfassenden Dialog zu beginnen.

Swetlana Tichanowskaja, belarussische Oppositionelle und Aktivistin

Was können die Menschen in Österreich tun, um die friedlichen Demonstranten in Belarus zu unterstützen? 

Der Zweck meines Besuchs in Wien ist, über die Situation in Belarus zu sprechen, über die furchtbare Menschenrechtskrise dort. Wir möchten außerdem neue Maßnahmen entwickeln, damit das Lukaschenko-Regime einen Dialog mit dem Volk über die Durchführung von freien und fairen Wahlen führt. 

Österreich könnte Investitionen in die belarussische Wirtschaft aussetzen, da dieses Geld vom Regime verwendet wird und damit die Stabilität des Regimes erhält und hilft, die Menschenrechtsverletzungen fortzusetzen. Es könnte die Unterstützung des 4. EU-Sanktionspakets diskutieren, die Ausweitung der Sanktionen auf Oligarchen, Regime-Konten, die Erörterung der Möglichkeit eines Beitritts zu den kürzlich beschlossenen amerikanischen Sanktionen gegen die neun größten staatlichen Unternehmen. Die österreichische Regierung könnte Unterstützung für die Zivilgesellschaft, unabhängige Medien und diejenigen leisten, die unter Repressionen leiden. Und sie könnte Maßnahmen ergreifen, um das Regime zu Verhandlungen mit dem Volk zu zwingen und die Krise in Belarus zu lösen. 

Was gibt Ihnen Hoffnung für die Zukunft von Belarus und die Menschen dort?

Hoffnung gibt mir die Würde, die Solidarität und die gegenseitige Hilfe, die die belarussische Gesellschaft demonstriert hat. Die Menschen kämpfen schon seit neun Monaten auf friedliche Art und Weise für ihre Freiheit, trotz Einschüchterung, Verhaftungen, mehrjährigen Verurteilungen. Die Gesellschaft hat sich in den letzten Monaten und in den letzten Jahren weiterentwickelt. Es gibt keinen Weg zurück, und ich glaube, dass Lukaschenko das auch versteht, daher diese brutalen Repressionen. Ich bin zuversichtlich, dass wir siegen werden und dass es uns gelingen wird, recht schnell ein neues Belarus aufzubauen. 

Es gibt keinen Weg zurück, und ich glaube, dass Lukaschenko das auch versteht, daher diese brutalen Repressionen. Ich bin zuversichtlich, dass wir siegen werden und dass es uns gelingen wird, recht schnell ein neues Belarus aufzubauen.

Swetlana Tichanowskaja, belarussische Oppositionelle und Aktivistin

 

Woher nehmen Sie den Mut für Ihren Kampf trotz aller Gefahren und Hindernisse? 

Ich weiß, dass viele Menschen hinter Gittern sitzen, und für sie ist es viel schwieriger als für mich in Vilnius. Deshalb stehe ich jeden Tag auf und tue mein Bestes, um sie so schnell wie möglich frei zu bekommen. Unsere Leute verdienen es, in ihrem eigenen Land respektiert zu werden. Ich bin allen sehr dankbar, die diesen Weg mit uns gehen. Danke für Ihre Hilfe und Solidarität. Sie ist sehr wichtig für uns. 

Swetlana Tichanowsjka (2. v.l.) mit (v.l.n.r.) Hannah Huber, Amnesty Youth Aktivistin, Aurélie Tournan und Annemarie Schlack, Geschäftsführerinnen von Amnesty International Österreich, beim Austausch in Wien (c) Elisabeth Mandl/Amnesty International Österreich