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Online-Gewalt: Twitter versagt weiterhin beim Schutz von Frauen

22. September 2020

Zusammenfassung

  • Neue Untersuchung von Amnesty International zu Online-Gewalt und Belästigung auf Twitter

  • Trotz wiederholter Versprechen versagt Twitter noch immer beim Schutz von Frauen

Amnesty International hat die Umsetzung einer Reihe von Empfehlungen für das Social-Media-Unternehmen Twitter zum Schutz von Frauen vor
Gewalt und Belästigung analysiert. Amnesty beschrieb dieses Problem erstmals 2018 in ihrem Bericht Toxic Twitter. Inzwischen wurden einzelne Fortschritte erzielt, doch Twitter muss noch Einiges unternehmen, um das Problem wirksam anzugehen.

Twitter unternimmt nach wie vor nicht genug, um die Flut von Gewalt zu stoppen, der sich Frauen auf der Plattform ausgesetzt sehen.

Rasha Abdul Rahim, Ko-Direktorin von Amnesty Tech

Das Unternehmen hat erst eine von zehn konkreten Empfehlungen umgesetzt und nur begrenzte Fortschritte bei der Schaffung von Transparenz geschaffen, was den Umgang mit Missbrauchsmeldungen angeht, kritisiert Amnesty International.

„Unsere Analyse zeigt, dass Twitter trotz einiger Fortschritte viel mehr unternehmen müsste, um Nutzerinnen zu schützen. Der mangelnde Schutz führt dazu, dass viele Frauen sich bereits nicht mehr öffentlich auf der Plattform äußern oder ihre Beiträge schon im Vorhinein selbst zensieren“, sagt Rasha Abdul Rahim, Ko-Direktorin von Amnesty Tech, und sagt weiter:

Wir haben klare und genaue Schritte aufgezeigt, die Twitter unternehmen kann, um seine Plattform zu einem Ort zu machen, an dem Frauen sich bei der Äußerung ihrer Meinungen sicher fühlen können. Twitter kann und muss mehr tun, um Frauen vor der Online-Gewalt zu schützen.“

Auch Twitter muss die Menschenrechte achten. Dazu gehört das Recht auf freie Meinungsäußerung und der Schutz vor Diskriminierung und Gewalt. 

Seit der Veröffentlichung des Berichts "Toxic Twitter" 2018 weist Amnesty International auf das Ausmaß an Gewalt gegen Frauen auf Twitter hin, etwa in Argentinien, Indien, Großbritannien und den USA. Mittlerweile machen es Frauen öffentlich, wenn sie Gewalt auf Twitter erleben und berichten darüber, ob das Unternehmen darauf angemessen reagiert.  

Die indische Autorin und Aktivistin Meena Kandasamy ist eine von vielen Betroffenen. Sie sagte Amnesty International: „Als Tamilin, die zwei Kasten angehört, führen kritische Äußerungen auf Twitter von mir über das diskriminierende Kastensystem in Indien zu einer explosiven Mischung. Ich erhalte eine Flut von rassistischen und frauenfeindlichen Kommentaren, darunter auch Vergewaltigungsdrohungen. Twitter scheint hinterherzuhinken und ist zu langsam, um die verschiedenen Formen der Gewalt abzustellen, denen sich Frauen ausgesetzt sehen.

Twitter ist eine mächtige Plattform, auf der wir uns äußern können. Doch Twitter muss mehr unternehmen, um die Plattform aufzuräumen und sie für Frauen sicherer zu machen.

Meena Kandasamy, indische Autorin und Aktivistin

Amnesty International nannte Twitter zehn Schritte, um Online-Gewalt gegen Frauen bestmöglich zu verhindern. Zu den Empfehlungen gehören Transparenz, Berichtsmechanismen sowie eine bessere Privatsphäre und bessere Sicherheitsvorkehrungen. Diese Twitter Scorecard arbeitet mit einem Ampelsystem, um die Umsetzung der Empfehlungen bei Twitter zu bewerten. Rot bedeutet, die Empfehlung wurde nicht umgesetzt, gelb heißt, die Umsetzung ist noch nicht abgeschlossen und grün bedeutet, die Empfehlung wurde vollständig umgesetzt.

Durch die mangelnde Bereitstellung an aussagekräftigen Daten ist es schwer, das gesamte Ausmaß des Problems bei Twitter zu erfassen. So stellt Twitter zum Beispiel noch keine detaillierten und nach Ländern aufgeschlüsselte Berichte von User*innen über Online-Gewalt zur Verfügung. Es gibt auch keine Daten darüber, wie viele User missbräuchliche Sprache verwenden, beispielsweise geschlechtsspezifische oder rassistische Ausdrücke.

Die Gewalt, die Frauen auf Twitter erleben, untergräbt ihr Recht, sich frei, gleichberechtigt und ohne Angst zu äußern. Diese Gewalt istintersektional: Frauen ethnischer oder religiöser Minderheiten, marginalisierte Kasten, Lesben, Bisexuelle und Transfrauen sind ebenso wie nicht-binäre Personen und Frauen mit Behinderungen in besonderem Masse von Gewalt auf der Plattform betroffen.

Twitter ist zurückhaltend mit Informationen zur Zahl von Content-Moderator*innen, die beim Unternehmen beschäftigt sind und gibt auch keine Auskunft über die Abdeckung verschiedener Länder und Sprachen. 

Die Social-Media-Plattform muss transparenter werden, was automatisierte Prozesse anbelangt, welche Online-Gewalt gegen Frauen herausfiltern sollen. Twitter hat zwar Details über die Algorithmen bekanntgegeben, mit denen es gegen Falschinformationen zur aktuellen COVID-19-Pandemie vorgeht, die gleiche Transparenz über den Einsatz von Algorithmen zu missbräuchlichen Tweets gegen Frauen steht jedoch noch aus.

In einigen Bereichen hat Twitter bereits Fortschritte erzielt, darunter bei der Verbesserung des Anzeigenvorgangs. Dabei werden Twitter-User*innen nun besser durch den Prozess geführt und erhalten mehr Informationen darüber, welche Entscheidungen getroffen werden. Für die Bemühungen um eine bessere Erklärung der Privatsphäre- und Sicherheitseinstellungen und der Aufklärung der User*innen darüber, welchen Schaden diese Form von Gewalt verursachen kann, erhielt Twitter für diesen Punkt eine gelbe Ampel.  

Twitter-Chef Jack Dorsey muss auf Worte Taten folgen lassen, um zu zeigen, dass es ihm ernst damit ist, Twitter zu einem sichereren Ort für Frauen zu machen. Wir werden bei dem Unternehmen weiterhin auf Veränderung dringen, bis ganz deutlich ist, dass Online-Gewalt auf der Plattform nicht geduldet wird.

Twitters Reaktion

Twitter bestätigte nach unserer Analyse, dass das Unternehmen mehr tun muss. Es sagte jedoch auch, dass die Kombination von Bearbeitung durch Menschen und dem Einsatz von Technologie es ihm erlaubt, eine proaktivere Antwort auf Online-Gewalt zu geben. Hinsichtlich der Veröffentlichung von nach Ländern oder Regionen aufgeschlüsselten Daten argumentierte Twitter, dass dies Fehlinterpretationen begünstigen und einen irreführenden Eindruck des Problems geben könnte.

Amnesty International stimmt zu, dass Kontext wichtig ist. Doch niemand hält Twitter davon ab, Kontext zusammen mit den Daten zu veröffentlichen. Die
menschenrechtliche Verantwortung des Unternehmens bedeutet, dass es die Pflicht hat, transparent darzulegen, wie es mit Berichten über Online-Gewalt umgeht.

Technologie, Digitalisierung und Menschenrechte

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