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Offener Brief: 74 Organisationen fordern die ägyptischen Behörden auf, Ahmed Samir Santaway bedingungslos freizulassen

14. April 2021

Zusammenfassung

  • Amnesty International fordert gemeinsam mit 73 weiteren Organisation, darunter Aufstehn, Epicenter.works, ETC Graz, Reporter ohne Grenzen, Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, Österreichische Liga für Menschenrechte, Südwind und ZARA, ​die Freilassung des willkürlich in Ägypten inhaftierten Masterstudenten und Wissenschaftler Ahmed Samir Santawy
  • Angriffe gegen Forschende und Akademiker*innen untergraben die ohnehin eingeschränkte akademische Freiheit in Ägypten
  • Ahmed Samir Santawy muss regelmäßig Zugang zu seiner Familie und seinen Rechtsbeiständen gewährt werden und er muss vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt werden
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Amnesty International fordert gemeinsam mit 73 weiteren Organisationen von den ägyptischen Behörden, den 29-jährigen Masterstudenten und Wissenschaftler Ahmed Samir Santawy umgehend und bedingungslos freizulassen. Ahmed Samir Santaway befindet sich seit dem 1. Februar 2021 aufgrund konstruierter Terrorismusvorwürfe willkürlich in Haft. Die unterzeichnenden Organisationen dringen zudem gegenüber den ägyptischen Behörden darauf, umgehend eine zielführende unabhängige, unparteiische und transparente Untersuchung der von Ahmed Samir Santawy erhobenen Vorwürfe über sein Verschwindenlassen und die Misshandlung durch Sicherheitskräfte im Anschluss an die Festnahme einzuleiten.

Die unterzeichnenden Organisationen gehen davon aus, dass Ahmed Samir Santawy, Wissenschaftler und Masterstudent der Anthropologie an der Wiener Privatuniversität Central European University (CEU), wegen seines Forschungsschwerpunkts willkürlich inhaftiert wurde. Er beschäftigt sich mit Frauenrechten und der Geschichte der reproduktiven Rechte in Ägypten. 

Am 23. Januar 2021 durchsuchten sieben vermummte und bewaffnete Polizisten das Haus der Familie von Ahmed Samir Santawy. Er war an diesem Tag nicht zuhause. Sie ließen ihm ausrichten, er solle bei der Abteilung für Innere Sicherheit (NSA) vorstellig werden. Gründe gaben sie keine an. Als er am 1. Februar dort vorstellig wurde, nahmen ihn Sicherheitskräfte fest. Bis zum 6. Februar war er Opfer des Verschwindenlassens. Er berichtet, dass ihm während des Verhörs im Büro der NSA auf der Polizeiwache des Stadtteils Fifth Settlement in Neu-Kairo die Augen verbunden wurden und man ihn mit Faustschlägen auf den Kopf und in den Bauch misshandelte.

Am 6. Februar 2021 wurde Ahmed Samir Santawy zum Verhör vor die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) gebracht, eine Sondereinheit der Staatsanwaltschaft, die sich mit Fällen mit Bezug zur „Staatssicherheit“ befasst. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn im Verfahren 65/2021 der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“, „Verbreitung falscher Nachrichten“ und „Nutzung eines Social-Media-Kontos zur Verbreitung falscher Nachrichten“. Am 23. Februar sagte ein zweiter Staatsanwalt in einer getrennten Anhörung, dass auch wegen „Finanzierung einer terroristischen Organisation“ gegen Ahmed Samir Santawy ermittelt werde. Die Staatsanwält*innen stützen ihre Anschuldigungen auf eine Ermittlungsakte, die weder Ahmed Samir Santawy noch seine Rechtsbeistände einsehen durften und auf Beiträge in den Sozialen Medien, die nach Angaben von Ahmed Samir Santawy nicht von ihm stammen.

Zugang zu Rechtsbeiständen muss sichergestellt werden

Die Staatsanwält*innen befragten Ahmed Samir Santawy zu seinen akademischen Studien, darunter seine Arbeit zum Thema Islam und Schwangerschaftsabbruch, und zu regierungskritischen Beiträgen auf Facebook, deren Urheberschaft er bestreitet. Ahmed Samir Santawy sagte der SSSP, dass ihn die NSA-Angehörigen während der ersten Tage seiner Inhaftierung auch über sein Studium sowie über seine mutmaßlichen Verbindungen zu einer regierungskritischen Facebookseite – die er bestritt – befragt hätten. Weiter berichtete er der SSSP bei einer Anhörung am 23. Februar, dass er in Einzelhaft in einer kalten Zelle ohne Zugang zu angemessener Kleidung und Schlafstätte gehalten wurde. Die SSSP leitete keine Untersuchung seiner Vorwürfe über das Verschwindenlassen und die körperliche Misshandlung durch die NSA ein. Sie ging auch nicht auf die Forderung der Rechtsbeistände von Ahmed Samir Santawy ein, ihn durch die Ägyptische Forensische Behörde gerichtsmedizinisch untersuchen zu lassen.

Ahmed Samir Santawy wurde inzwischen aus der Einzelhaft in die Untersuchungshaft im Liman-Tora-Gefängnis verlegt. Die Untersuchungshaft wurde in seiner Abwesenheit und auch ohne dass seine Rechtsbeistände anwesend waren bereits vier Mal verlängert. Dies verstößt gegen sein Recht, die Rechtmäßigkeit einer Inhaftierung anzufechten.

Die unterzeichnenden Organisationen fordern die ägyptischen Behörden auf, sicherzustellen, dass Ahmed Samir Santawy umgehend und bis zu seiner Freilassung regelmäßigen Zugang zu seiner Familie und seinen Rechtsbeiständen erhält und er vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt wird.

Hintergrund

Die Festnahme von Ahmed Samir Santawy erfolgte im Zuge eines beispiellosen Vorgehens der ägyptischen Behörden gegen die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung: In den vergangenen Jahren wurden unzählige Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen, Rechtsbeistände, Politiker*innen, friedliche Protestierende, Journalist*innen, Beschäftigte im Gesundheitswesen sowie Forschende und Akademiker*innen festgenommen. Hunderte wurden Opfer des Verschwindenlassens, Folter und anderweitiger Misshandlung ausgesetzt oder in verlängerter Untersuchungshaft gehalten, während wegen fadenscheiniger Vorwürfe im Zusammenhang mit Terrorismus gegen sie ermittelt wurde. So wird der Gender-Forscher der Ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte und Masterstudent an der italienischen Universität Bologna, Patrick George Zaki, in Untersuchungshaft gehalten, seit er im Februar 2020 bei seiner Ankunft in Ägypten unter haltlosen terrorismusbezogenen Vorwürfen festgenommen wurde. In einem ähnlichen Fall wurde im Mai 2018 der Doktorand der Universität Washington Walid Salem festgenommen, nachdem er für seine Forschungsarbeit nach Ägypten zurückgekehrt war. Im Dezember 2018 wurde er nach sieben Monaten in Untersuchungshaft zwar vorläufig freigelassen, allerdings verweigern die Behörden ihm seither die Ausreise aus Ägypten. Diese Angriffe gegen Forschende und Akademiker*innen untergraben die ohnehin eingeschränkte akademische Freiheit im Land zusätzlich.

74 Organisationen unterzeichneten das gemeinsame Statement:

  • Amnesty International
  • Human Rights Watch
  • Scholars at Risk
  • Association for Freedom of Thought and Expression
  • Cairo Institute for Human Rights Studies
  • EuroMed Rights
  • FIDH, within the framework of the Observatory for the Protection of Human Rights Defenders
  • OMCT (World Organisation Against Torture), within the framework of the Observatory for the Protection of Human Rights Defenders
  • International Service for Human Rights
  • Egyptian Front for Human Rights
  • Initiative franco-égyptienne pour les droits et les libertés
  • Committee for Justice
  • The Freedom Initiative
  • Project on Middle East Democracy (POMED)
  • The Tahrir Institute for Middle East Policy
  • People In Need
  • MENA Rights Group
  • Middle East Studies Association of North America
  • PEN International
  • Center for Reproductive Rights
  • Pan African Human Rights Defenders Network (AfricanDefenders)
  • Intersection Association for Rights and Freedoms
  • Regional Center for Rights and Liberties
  • Human Rights First
  • Hungarian Europe Society
  • Clean Air Action Group (Environmental Association)

Petition für Ahmed Samir Santawy

Fordere mit uns, dass Ahmed Samir Santawy umgehend und bedingungslos freigelassen werden muss.

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