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Nigeria: Dutzende Tote und Hunderte Verletzte bei #EndSARS-Protesten

22. Oktober 2020

Amnesty International fordert Untersuchung der Tötungen durch das Militär

Amnesty International beobachtet seit Beginn der #EndSARS-Proteste am 8. Oktober die Entwicklungen in Nigeria: Mindestens 56 Menschen sind (Stand 21. Oktober) im ganzen Land bei Demonstrationen gestorben, etwa 38 Menschen allein vergangenen Dienstag, 20. Oktober. Unter den Opfern befinden sich Protestierende und Schläger*innen, die mutmaßlich von den Behörden angeheuert wurden, um sich den Protestierenden entgegenzustellen. In vielen Fällen hatten die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt angewendet, um die Proteste zu kontrollieren oder aufzulösen.

Die Menschen in Nigeria haben genug von den gesetzlosen Aktivitäten von SARS. Sie verdienen echte Reformen, die die Rechte der Menschen schützen!

Osai Ojigho, Direktorin von Amnesty International Nigeria

Seit dem 8. Oktober gehen die Menschen in Nigeria auf die Straßen und fordern ein Ende der Polizeigewalt, der außergerichtlichen Hinrichtungen und der Erpressung durch die Special Anti-Robbery Squad (SARS), einer Einheit der nigerianischen Polizei, die mit der Bekämpfung von Gewaltverbrechen beauftragt ist. Die Einheit wurde mittlerweile eingestellt.

In den letzten fünf Jahren hat die Bundesregierung mehrfach eine Reform von SARS zugesagt. Trotz dieser Versprechen konnten SARS-Beamt*innen weiterhin ungestraft Menschenrechtsverletzungen begehen: Amnesty International hat zwischen Jänner 2017 und Mai 2020 mindestens 82 Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch SARS dokumentiert, darunter Folter, Misshandlungen und außergerichtliche Hinrichtungen. 

Schüsse auf friedlich Demonstrierende 

Eine Amnesty-Recherche vor Ort bestätigt, dass nigerianische Polizei- und Militärangehörige am 20. Oktober bei friedlichen Protesten in Lagos mindestens zwölf Menschen getötet haben. Die Tötungen wurden in den Stadtteilen Lekki und Alausa begangen, wo Tausende der #EndSARS-Bewegung gegen Polizeigewalt protestierten.

Augenzeug*innen, Videoaufnahmen und Krankenhausberichte belegen, dass das nigerianische Militär am Dienstag, den 20. Oktober, zwischen 18:45 Uhr und 21:00 Uhr das Feuer gegen Tausende Demonstrierende eröffnete, die friedlich politische Reformen und ein Ende der Polizeigewalt forderten.

Zeug*innen vor Ort in Lekki berichteten Amnesty International, dass dort am Dienstagabend gegen 18:45 Uhr Ortszeit Soldat*innen auftauchten und ohne Vorwarnung das Feuer auf #EndSARS-Protestierende eröffneten. Augenzeug*innen in Alausa gaben an, dass sie gegen 20:00 Uhr von einer Gruppe Soldat*innen und Polizist*innen der Schnellen Eingreiftruppe (Rapid Response Squad - RRS) angegriffen wurden und dabei mindestens zwei Menschen starben und eine Person lebensgefährlich verletzt wurde.

„Das Feuer auf friedliche Protestierende zu eröffnen, ist ein ungeheuerlicher Verstoß gegen die Rechte auf Leben, Würde sowie Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die Soldat*innen hatten eine klare Absicht: ohne Konsequenzen zu töten”, sagt Osai Ojigho, Direktorin von Amnesty International Nigeria. 

Außergerichtliche Hinrichtungen 

Amnesty International hat Berichte erhalten, dass kurz vor den Schüssen die Überwachungskameras an der Mautstelle in Lekki von Regierungsbeamt*innen abmontiert und der Strom abgestellt wurden – ein klarer Versuch, Aufnahmen, die als Beweismaterial dienen könnten, zu verhindern. An der Mautstelle in Lekki hatten #EndSARS-Protestierende zwei Wochen zuvor ihr Protest-Camp aufgeschlagen. Wie Amnesty International bereits in früheren Fällen dokumentierte, sollen auch diesmal wieder in Alausa und Lekki einige Getötete und Verletzte vom Militär weggeschafft worden sein.

„Diese Erschießungen stellen eindeutig außergerichtliche Hinrichtungen dar. Es muss umgehend eine Untersuchung geben und die Tatverdächtigen müssen in fairen Gerichtsverfahren zur Rechenschaft gezogen werden. Die Behörden müssen den Zugang zu Gerechtigkeit und wirksamen Rechtsbehelfen für die Opfer und ihre Familien sicherstellen", fordert Osai Ojigho.