Uliyana*, eine Schulbibliothekarin, berichtete Amnesty International, dass sie heimlich Treffen mit Schüler*innen organisieren musste, um ihnen Bücher zu geben, während russische Militärpatrouillen in den Straßen ihres Dorfes oft willkürliche Durchsuchungen durchführten.
Einige Eltern haben sich entschieden, die Schulbildung ihrer Kinder um deren Sicherheit willen abzubrechen. Polina, eine Mutter von zwei Kindern, erzählte, dass ihre Kinder während der neunmonatigen russischen Besatzung nur wenige Male das Haus verlassen haben, weil sie Angst hatten, nach Russland gebracht zu werden.
Anhaltende Angst und Einschüchterung für die Bewohner*innen der besetzten Gebiete 
Kseniya*, die Mutter des 15-jährigen Jungen Kyrylo* aus einem besetzten Dorf in der Region Kherson, berichtete Amnesty International von einem Hausbesuch durch eine Lehrperson im Frühjahr 2022. Die*der Lehrer*in fragte Kyrylo, ob er die Schule besuchen würde, wenn sie im September wieder geöffnet wird. Kseniya antwortete, dass Kyrylo nicht in die Schule gehen würde. Anfang September kamen daraufhin Männer in russischer Militäruniform und drohten ihnen: „Wenn ihr morgen nicht in der Schule erscheint, wird der Bus nächste Woche kommen und euch in ein Waisenhaus in Russland bringen“. Kyrylo kehrte in die Schule zurück und musste feststellen, dass diese mit russischen Staatssymbolen geschmückt war und bewaffnetes Personal an der Tür und im Gebäude stationiert war.
Eine Lehrperson aus der besetzten Gemeinde Berdiansk in der Region Saporischschja, die die besetzten Gebiete im Juli 2022 verlassen hat, hält weiterhin Online-Unterricht für Kinder ab, die noch in der besetzten Gemeinde leben. Die*der Lehrer*in berichtete Amnesty International, dass die Kinder nun gezwungen werden, die russische Nationalhymne zu lernen und zu singen. Denjenigen, die sich weigern, wird gedroht, dass sie ihren Eltern weggenommen und zur „Umerziehung in russische Waisenhäuser“ gebracht werden.
In derselben Schule wurde an alle Schüler*innen ein Zettel verteilt, der von Amnesty International Researcher*innen geprüft wurde. Darauf steht: „Schaut euch um. Ihr könnt sehen, dass die Ukraine Charkow, Mariupol und andere Städte zerstört hat. Wenn ihr nicht wollt, dass die Ukraine euch tötet, erzählt uns alles, was ihr seht und wisst.“
Indoktrination und Nötigung von Lehrpersonen haben Auswirkungen auf die Bildungsarbeit 
Hanna* und Olena*, beide Lehrerinnen aus einer Gemeinde in der von März bis September 2022 besetzten Region Charkiw, erhielten Nachrichten von den Schulleiter*innen ihrer jeweiligen Schulen, die sie davon überzeugen wollten, zur Wiedereröffnung der Schulen im September zur Arbeit zurückzukehren und nach dem russischen Lehrplan zu unterrichten. Beide weigerten sich und tauchten unter.
Olena musste ihre Wohnung aufgeben und lebte bei Nachbar*innen. Hanna blieb heimlich in ihrem Haus, konnte sich aber deswegen nicht für die humanitäre Hilfe (Lebensmittelpakete) der russischen Besatzungsbehörden registrieren. In ihrem Interview mit Amnesty International sagte sie, dass es sehr schwierig war, acht Monate der Besatzung ohne Einkommen und Unterstützung zu überleben.
Familien aus den russisch besetzten Gebieten berichten von Schulen, die ohne ausreichendes oder qualifiziertes Lehrpersonal wiedereröffnet wurden, und von Kindern, die allein in den Klassenzimmern zurückgelassen und aufgefordert wurden, Lehrbücher zu lesen, was bedeutet, dass die Qualität des Unterrichts und die Disziplin gelitten haben.