Es gibt aber eine große Einschränkung: Das alles gilt nur für Fälle, die über die Landesgrenzen hinweg passieren und auch nur, wenn es um zivilrechtliche Klagen geht, zum Beispiel auf Schadenersatz oder Unterlassung. Für Fälle, die nur in Österreich ablaufen, gibt es keinen Schutz. Auch nicht für Straf- oder Verwaltungsverfahren. Für Verfahren, wie jenes gegen den bekannten Kolumnisten und Kabarettisten Florian Scheuba, gäbe es mit den EU-Vorschriften allein kein Sicherheitsnetz. Ihm wird vom Direktor des Bundeskriminalamts die Straftat der üblen Nachrede vorgeworfen.
Die Zahlen zeigen jedoch, dass es Schutzmaßnahmen für eben solche Fälle braucht: 20 Prozent der 2023 in Europa erfassten SLAPPs betrafen strafrechtliche Vorwürfe und 90 Prozent davon bezogen sich auf Fälle innerhalb eines einzigen Staates.
Es ist also für die Gesetzgeber*innen einiges mehr zu tun, als die EU vorgibt. Auch die Europäische Kommission ruft die Mitgliedstaaten dazu auf, ähnliche Schutzmaßnahmen auch für innerstaatliche Fälle vorzusehen und etwa Haftstrafen wegen Verleumdung abzuschaffen.
Gerade angesichts des aktuellen Pressefreiheits-Rankings, bei dem Österreich auf dem bisher schlechtesten 32. Platz liegt, wäre das eine Gelegenheit, um die Meinungs- und Informationsfreiheit nachhaltig zu stärken. Wer möchte schon in einem Österreich leben, in dem sich nur mehr die besonders mutigen Menschen öffentlich trauen, Kritik zu üben und ihre Meinung zu äußern? Ich jedenfalls möchte das nicht.
Titelbild: Prozess ICMPD gegen SOS-Balkanroute, Juli 2023