Gesetzesreformen ignoriert
Die sieben jungen Männer wurden für die ihnen vorgeworfenen Straftaten nach der Kategorie ta’zir bestraft, für die im islamischen Recht keine festen Strafen festgelegt sind und das Gericht daher nach Ermessen entscheidet.
Seit 2018 gilt in Saudi-Arabien ein Jugendstrafrecht, nach dem Personen unter 18 Jahren, die wegen einer ta’zir-Straftat schuldig gesprochen werden, maximal zu zehn Jahren Haft verurteilt werden können. Ein 2020 ausgesprochenes königliches Dekret verbietet zudem auf Ermessen basierende Todesurteile gegen Personen, die zum Zeitpunkt der ihnen vorgeworfenen Straftat unter 15 Jahre alt waren.
Im Mai 2023 bestätigte die staatliche Menschenrechtskommission in einem Brief an Amnesty International, dass „die Anwendung der Todesstrafe gegen Jugendliche auf der Basis von ta’zir-Straftaten komplett abgeschafft“ worden sei.
Im November 2022 nahm Saudi-Arabien Hinrichtungen für Drogendelikte wieder auf, nachdem zuvor laut Angaben der Menschenrechtskommission seit Januar 2020 ein Moratorium für derartige Exekutionen gegolten hatte.
Unfaire Gerichtsverfahren und Folter
Sechs der sieben jungen Männer wurden wegen terrorismusbezogener Vorwürfe verurteilt, die darauf basierten, dass sie z. B. an regierungskritischen Demonstrationen teilgenommen oder Beerdigungen von durch Sicherheitskräfte getöteten Personen beigewohnt hatten.
Diese sechs Männer gehören der schiitischen Minderheit an, deren Mitglieder routinemäßig diskriminiert werden und sich wegen Kritik an der Regierung in unfairen Gerichtsverfahren auf der Grundlage vager und weit gefasster Anklagen verantworten müssen.
Yousef al-Manasif, der zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Straftat zwischen 15 und 18 Jahre alt war, wurde im November 2022 durch das Sonderstrafgericht zum Tode verurteilt.
Laut des Anklageprotokolls und der Urteilsschrift, die beide von Amnesty International eingesehen wurden, wurde Yousef al-Manasif auf der Grundlage mehrerer Anklagepunkte für schuldig befunden, darunter: „Versuch, das soziale Gefüge und den nationalen Zusammenhalt zu stören, sowie Teilnahme an und Aufrufen zu Sitzblockaden und Protesten, die den Zusammenhalt des Staatsgefüges und die Sicherheit bedrohen.“ Seine Familie gab an, dass sie ihn erst mehr als sechs Monate nach seiner Festnahme sehen bzw. besuchen durfte, und dass er vorher in Isolationshaft gehalten worden sei. Das Berufungsgericht bestätigte das Todesurteil im März 2023.
Abdullah al-Darazi, ein weiterer Verurteilter, war zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Straftat 17 Jahre alt. Auch er wurde mehrerer Anklagepunkte für schuldig befunden, darunter „Teilnahme ... an Unruhen in Al-Qatif, Skandieren von Parolen gegen den Staat und Verursachen von Chaos“ sowie wegen „Angreifen von Sicherheitskräften mit Molotow-Cocktails“. Er sagte vor Gericht aus, dass er drei Jahre lang in Untersuchungshaft gehalten worden sei und während der Ermittlungen und der Untersuchungshaft keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand hatte.
Aus den von Amnesty International eingesehenen Gerichtsunterlagen geht hervor, dass Abdullah al-Darazi vor Gericht Folgendes vorbrachte: „Ich verlange ein unabhängiges medizinisches Gutachten zum Nachweis der von mir erlittenen Folter... Die Unterlagen des Dammam-Krankenhauses belegen, dass ich dort weiterhin behandelt werde, weil ich während meines Verhörs Schläge auf die Ohren erhalten habe. Ich fordere nach wie vor ein entsprechendes Gutachten.“