Im Rahmen dieses harten Vorgehens kam es auch zu gefährlichen Verfolgungsjagden auf der Straße, um Autofahrerinnen zum Anhalten zu bringen, zu Massenbeschlagnahmungen von Fahrzeugen, Inhaftierungen sowie Auspeitschungen und anderen Strafmaßnahmen, die den Tatbestand der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung erfüllen.
Im August 2024 kursierte in den Sozialen Medien ein verstörendes Video, auf dem zu sehen war, wie mehrere Sicherheitskräfte zwei 14-jährige Mädchen angriffen, die ihre Kopftücher abgenommen hatten. Eines der Mädchen, Nafas Hajisharif, berichtete in einem Medieninterview Folgendes: „Sie haben mich an den Haaren gezogen, mich angeschrien und beschimpft ... sie haben mich in den Transporter gesteckt und dort auf den Boden geworfen. Eine Beamtin hat mich geschlagen, mir mit ihrem Knie den Hals zugedrückt und meinem Kopf einen heftigen Schlag versetzt. Mein Kopf steckte zwischen den Sitzen fest, und sie haben mich in die Körperseite getreten.“
Unterdessen steht das iranische Parlament kurz vor der Verabschiedung eines „Gesetzes zur Förderung der Kultur der Keuschheit und des Kopftuchs“, mit dem die verschärften Angriffe der Behörden auf Frauen und Mädchen, die sich dem Kopftuchzwang widersetzen, legalisiert werden sollen.
Vermehrter Einsatz der Todesstrafe
Seit der Proteste im Rahmen der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“ wird die Todesstrafe von den iranischen Behörden verstärkt eingesetzt. 2023 griffen die Behörden mit der höchsten Zahl an Hinrichtungen in acht Jahren besonders häufig auf die Todesstrafe als Mittel der Unterdrückung zurück, um die Öffentlichkeit zu terrorisieren. Unverhältnismäßig stark betroffen von den Hinrichtungen war die ethnische Minderheit der Belutsch*innen.
Die Behörden haben seit Dezember 2022 zehn Männer im Zusammenhang mit den Protesten von September bis Dezember 2022 willkürlich willkürlich hinrichten lassen, darunter auch Reza (Gholamreza) Rasaei. Er wurde am 6. August 2024 heimlich hingerichtet.
Mehr als ein Dutzend Menschen droht in Verbindung mit den Protesten auch weiterhin die Hinrichtung oder die Verurteilung zum Tode, darunter auch Mojahed Kourkouri.
Diese Eskalation beinhaltet auch die Verhängung der Todesstrafe gegen Frauen aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen. Die Menschenrechtsverteidigerin Sharifeh Mohammadi und die kurdische Aktivistin Pakhshan Azizi wurden vor kurzem in getrennten Fällen der „bewaffneten Rebellion gegen den Staat“ (baghi) für schuldig befunden und von Revolutionsgerichten zum Tode verurteilt, und zwar allein wegen ihres friedlichen Engagements. Besorgniserregenden Berichten zufolge waren sie in der Haft Folter und anderweitigen Misshandlungen ausgesetzt. Mindestens zwei weitere Frauen, Wrisha Moradi und Nasim Gholami Simiyari, wurden ebenfalls in getrennten Fällen wegen „bewaffneter Rebellion gegen den Staat“ (baghi) verurteilt.
Sexualisierte Gewalt als Waffe
Seit zwei Jahren leugnen die Behörden, dass während der Proteste festgenommene Personen von Sicherheitskräften gefoltert und anderweitigen Misshandlungen wie Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter Gewalt ausgesetzt wurden.
Während der Proteste haben die iranischen Sicherheits- und Geheimdienstkräfte in großem Umfang Folter und andere Misshandlungen an inhaftierten Demonstrierenden verübt. Im Dezember 2013 hat Amnesty International ausführlich über den erschütternden Einsatz von Vergewaltigungen, darunter auch Gruppenvergewaltigungen, sowie anderen Formen sexualisierter Gewalt berichtet. Sie wurden von den iranischen Behörden eingesetzt, um Proteste zu unterbinden und die Protestierenden, unter denen sich auch Kinder von gerade mal zwölf Jahren befanden, zu terrorisieren und zu bestrafen.
Notstand angesichts systemischer Straflosigkeit
Iranische Staatsbedienstete, die der strafrechtlichen Verantwortung für Verbrechen unter dem Völkerrecht und andere Menschenrechtsverletzungen verdächtigt werden, entziehen sich auch weiterhin der Justiz.
Der UN-Menschenrechtsrat hat das Mandat der UN-Ermittlungsmission für den Iran (FFMI) im April 2024 verlängert, doch weigern sich die iranischen Behörden nach wie vor, mit dem unabhängigen Gremium zusammenzuarbeiten, und verweigern dessen Mitgliedern den Zugang zum Land.
Amnesty International schließt sich den Empfehlungen der FFMI an alle Staaten an. Diese sehen vor, strafrechtliche Ermittlungen gegen iranische Staatsbedienstete einzuleiten, die nach dem Grundsatz der universellen Gerichtsbarkeit hinreichend verdächtigt werden, Straftaten im Sinne des Völkerrechts begangen zu haben, und zwar unabhängig davon, ob sich die beschuldigte Person in ihrem Hoheitsgebiet aufhält oder nicht. Außerdem sollen „strukturelle Ermittlungen zur allgemeinen Situation im Zusammenhang mit den Protesten von 2022 ohne konkrete Tatverdächtige eingeleitet“ werden.