Ein Bild, das ein israelischer Soldat am 30. Mai 2025 auf Instagram veröffentlichte, zeigt die Reste der Stadt Khuza'a im Gazastreifen.. © Younis Tirawi
Ein Bild, das ein israelischer Soldat am 30. Mai 2025 auf Instagram veröffentlichte, zeigt die Reste der Stadt Khuza'a im Gazastreifen.. © Younis Tirawi
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Gaza: Untersuchung zeigt vollständige Zerstörung der Stadt Khuza'a auf

13. Juni 2025

Die Analyse von Satellitenbildern und die Überprüfung von Videomaterial durch Amnesty International zeigen, wie israelische Streitkräfte im Mai 2025 innerhalb von zwei Wochen die Überreste der Stadt Khuza'a im südlichen Teil des besetzten Gazastreifens vollständig zerstört und dem Erdboden gleichgemacht haben.

Die Analyse unterstreicht die dringende Notwendigkeit, gegen das israelische Militär wegen Kriegsverbrechen wie mutwilliger Zerstörung und kollektiver Bestrafung zu ermitteln. Sie liefert außerdem neue Beweise für den Völkermord Israels an den Palästinenser*innen im besetzten Gazastreifen.

Muster vorsätzlicher Zerstörung ohne militärische Notwendigkeit

Die Ergebnisse dieser Untersuchung deuten auf ein Muster der vorsätzlichen Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur hin, darunter einige der fruchtbarsten landwirtschaftlichen Flächen Gazas, die Israel im Rahmen eines gezielten Plans durchgeführt hat, um den Palästinenser*innen in Gaza Lebensbedingungen aufzuzwingen, die auf ihre vollständige oder teilweise physische Zerstörung abzielen.

Amnesty Internationals frühere Untersuchungen deckten ein Muster der Zerstörung ziviler Gebiete durch Israel zwischen Dezember 2023 und Mai 2024 auf, ohne dass dies aus militärischer Sicht zwingend notwendig gewesen wäre, während Israel versuchte, eine „Pufferzone“ entlang der östlichen Grenze des Gazastreifens auszuweiten.

Die neuesten Bilder vom Mai 2025 zeigen, wie Khuza'a, eine Stadt in der Präfektur Khan Yunis, in der einst etwa 11.000 Palästinenser*innen lebten, in weniger als zwei Wochen vollständig in Schutt und Asche gelegt wurde, nachdem ein erheblicher Teil der Stadt bereits 2024 zerstört worden war.

Die internationale Gemeinschaft darf nicht tatenlos zusehen, wie Israel systematisch wichtige zivile Infrastruktur zerstört, landwirtschaftliche Flächen vernichtet und die palästinensische Bevölkerung in Gaza kollektiv bestraft.

Erika Guevara Rosas, Direktorin für Recherche, Advocacy und Kampagnen bei Amnesty International

Diese Beweise deuten stark darauf hin, dass Israel sein Muster der Zerstörung ziviler Gebiete ohne zwingende militärische Notwendigkeit fortsetzt. Denn die systematische Zerstörung ging weit über taktische Kampfhandlungen hinaus. Während ein Teil der Zerstörung auf Luftangriffe oder Bodengefechte zurückzuführen sein mag, scheint ein Großteil der Zerstörung bewusst und systematisch außerhalb aktiver Kampfhandlungen durchgeführt worden zu sein.

„Die Vernichtung von Khuza'a ist ein erschreckender Beweis für eine anhaltende, systematische Zerstörungskampagne in Gaza, durch die ganze Städte in öde Landschaften aus Staub und Trümmern verwandelt werden“, so Erika Guevara Rosas, Direktorin für Recherche, Advocacy und Kampagnen bei Amnesty International.

„Das Ausmaß dieser Zerstörung geht weit über jede denkbare militärische Notwendigkeit hinaus und deutet auf eine gezielte Strategie der israelischen Streitkräfte hin, das Gebiet unbewohnbar zu machen“, sagt Erika Guevara Rosas.

Hunger als Kriegswaffe

Die Zerstörung einiger der fruchtbarsten landwirtschaftlichen Flächen Gazas, die für die Produktion von Nahrungsmitteln unerläßlich sind, muss im Zusammenhang mit Israels Einsatz von Hunger als Kriegsmittel gesehen werden.

Seit dem 2. März 2025 haben die israelischen Behörden 77 Tage lang die Einfuhr von Lebensmitteln und anderen für das Überleben der Zivilbevölkerung notwendigen Gütern vollständig blockiert. Zwar wurde kürzlich eine geringe Menge an Hilfsgütern zugelassen, doch die Militarisierung der Verteilung der Hilfsgüter hat den Zugang zu Lebensmitteln sowohl extrem gefährlich als auch menschenunwürdig gemacht. In Verbindung mit Massenvertreibungen und der systematischen Vernichtung von Nahrungsmittelquellen sowie der Verhinderung des Zugangs zu Lebensmitteln hat Israel eine beispiellose humanitäre Katastrophe herbeigeführt, die auf die physische Zerstörung der Bevölkerung zielt.

Eine ausgelöschte Stadt: Zeitleiste der Zerstörung im Mai 2025

Das Ausmaß der Zerstörung in Khuza'a wurde im Laufe des Monats Mai 2025 rasch deutlich. Zwischen dem 14. und 15. Mai berichteten palästinensische Medien über israelische Luftangriffe und Artilleriefeuer in dem Gebiet, wahrscheinlich zur Vorbereitung des Einsatzes von Bodentruppen. Am 17. Mai zeigten Satellitenbilder, die vom Evidence Lab von Amnesty International analysiert wurden, neue Spuren von schweren Fahrzeugen, die von Israel direkt nach Khuza'a führten.

Ebenfalls am 17. Mai kündigte das israelische Militär den Start der Operation „Gideons Wagen“ und eine Ausweitung seiner Offensive im besetzten Gazastreifen an. Während palästinensische Medien berichteten, dass Kämpfer der Palästinensischen Islamischen Dschihad am 20. Mai einen israelischen Panzer in Khuza'a mit einem Raketenwerfer angegriffen hätten, deutet das Ausmaß der anschließenden Zerstörung auf weit mehr als taktische Gefechte hin.

Am 27. Mai kursierten in den sozialen Medien Drohnenaufnahmen, die von Amnesty International überprüft wurden, welche unbestreitbare, detaillierte visuelle Beweise dafür liefern, dass große Teile von Khuza'a in den vorangegangenen Tagen vollständig in Schutt und Asche gelegt worden waren. Ein in den sozialen Medien veröffentlichtes und von Amnesty International verifiziertes Video zeigte drei ungeschützte Bagger, die die Überreste eines Gebäudes in Khuza'a abrissen, was darauf hindeutet, dass keine größere Gefahr für die Soldaten bestand, die sie bedienten, und dass es sich nicht um ein Kampfgebiet handelte.

Satellitenbilder dokumentieren die Zerstörung der Stadt Khuzaa im Gazastreifen im Verlauf des Mai 2025. © Planet Labs PBC
Satellitenbilder dokumentieren die Zerstörung der Stadt Khuzaa im Gazastreifen im Verlauf des Mai 2025. © Planet Labs PBC

In einer Erklärung vom 25. Mai erklärte der israelische Militärkommandant Oberstleutnant Dor Yoetz in einem Brief an die Truppen, sie seien ausgerückt, um „das als Khirbat Ikhza'a [ein anderer Name für Khuza'a im Hebräischen] bekannte Terroristennest zu beseitigen“. Er sagte, dass sie ihren Feind innerhalb weniger Tage besiegt hätten und dass „Khirbat Ikhza'a nicht mehr existiert“.

Die schreckliche Realität wurde am 31. Mai von der Gemeindeverwaltung Khuza'a selbst bestätigt. In einer Erklärung auf ihrer Facebook-Seite ließ sie verlauten, dass „das Ausmaß der Zerstörung in der Stadt alle Schätzungen übersteigt und die Stadt vollständig außer Betrieb gesetzt wurde“.

Diese jüngste Verwüstung folgt auf frühere Berichte der Gemeindeverwaltung vom Februar 2025, wonach ein Großteil der Stadt bereits zerstört worden war. Eine Mitte März erlassene israelische Vertreibungsanordnung zwang die Bewohner*innen, das Wenige, das noch übrig war, aufzugeben. Diese Vertreibungsanordnung war besonders verheerend für Bewohner*innen, die nach den weitreichenden Zerstörungen Ende 2023 und Anfang 2024 versucht hatten, ihre Häuser zu reparieren und landwirtschaftliche Flächen wieder herzustellen.

Mohammed Hamdan Qudaih, ein 66-jähriger Bauer und Bewohner von Khuza'a, der mehrfach vertrieben wurde, berichtete Amnesty International, wie das Ackerland seiner Familie, das einst ihre gesamte Lebensgrundlage bildete, und ihr dreistöckiges Haus zerstört wurden. Er sagte, dass seine vier Kinder alle mit ihm auf dem Land arbeiteten, wo sie Tomaten, Paprika und Molokhiya anbauten. Sie wurden erstmals im Dezember 2023 vertrieben.

„Als wir im Juni 2024 nach Khuza'a zurückkehrten, waren die meisten unserer Ernten vernichtet und der größte Teil des Landes zerstört, also begannen wir mit der Wiederherstellung und der Reparatur der Gewächshäuser“, sagte er, doch am 18. März 2025 wurden er und seine Familie erneut zur Flucht gezwungen.

„Vertreibung ist schlimmer als der Tod, glauben Sie mir“, fügte er hinzu. „Ich habe gehört, dass sie [die israelischen Streitkräfte] das Land dem Erdboden gleichgemacht haben, aber ich weigere mich zu glauben, dass meine Gewächshäuser verschwunden sind ... Jetzt möchte ich nur noch zurückkehren, um zu sehen, was mit meinem Land passiert ist, und wir wollen einfach nur zurück.“

Satellitenbilder, die von Amnesty International analysiert wurden, zeigen, dass das Gebiet um das Haus und die Gewächshäuser von Mohammed Hamdan Qudaih im Laufe einer Woche vom 18. bis 23. Mai 2025 zerstört wurde.

Muster willkürlicher Zerstörung und kollektiver Bestrafung

Die jüngste Zerstörung der Überreste von Khuza'a ist kein Einzelfall, sondern die Fortsetzung eines systematischen und rechtswidrigen Musters der Zerstörung durch das israelische Militär in Gaza.

Amnesty International hat in früheren Untersuchungen Satellitenbilder und Videos aus sozialen Medien zwischen Oktober 2023 und Mai 2024 analysiert und neu gerodete Flächen entlang der östlichen Grenze Gazas zu Israel identifiziert, die sich über eine Breite von etwa 1 km bis 1,8 km erstrecken. Über 90 % der Gebäude in diesem Gebiet – mehr als 3500 Bauwerke – scheinen zerstört oder schwer beschädigt zu sein, und über 20 km² landwirtschaftlich genutzte Fläche weisen laut Daten von UNOSAT einen erheblichen Rückgang des Zustands und der Dichte der Nutzpflanzen auf.

In vielen dokumentierten Fällen erfolgte die Zerstörung, nachdem israelische Streitkräfte die operative Kontrolle über die Gebiete übernommen hatten, was bedeutet, dass sie nicht direkt Folge der laufenden Kämpfe waren. Die Anwesenheit von ungeschützten Baggern im Mai 2025 lässt darauf schließen, dass dies auch bei der jüngsten Zerstörung von Khuza'a der Fall war.

Israel behauptet zwar, dass diese Zerstörungen aus Sicherheitsgründen erfolgen, muss sich jedoch an das humanitäre Völkerrecht halten. Die Ausnahme der „zwingenden militärischen Notwendigkeit“ für die Zerstörung von Eigentum ist eng definiert und gilt nicht für die vollständige Zerstörung ziviler Gebiete, insbesondere wenn alternative Maßnahmen existieren und die Zerstörung in keinem Verhältnis zu einem legitimen militärischen Zweck steht.

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