Anwohner*innen untersuchen die Trümmer nach einem israelischen Angriff auf das Flüchtlingslager Nuseirat in Gaza-Stadt. © Ali Jadallah Anadolu via Getty Images
Anwohner*innen untersuchen die Trümmer nach einem israelischen Angriff auf das Flüchtlingslager Nuseirat in Gaza-Stadt. © Ali Jadallah Anadolu via Getty Images
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Gaza: Israel muss unverzüglich alle Pläne zur Annexion und zu Zwangsumsiedlungen aufgeben

8. Mai 2025

Die israelische Regierung muss unverzüglich ihre kürzlich vorgestellten Pläne für erweiterte Militäroperationen aufgeben. Die unter anderem vorgesehene Annexion von Gebieten und Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus dem besetzten und belagerten Gazastreifen würde einen schweren Verstoß gegen internationales Recht darstellen, erklärte Amnesty International heute. 

Israel begeht auch weiterhin genozidale Handlungen, wohl wissend um den irreversiblen Schaden, der den Palästinenser*innen im Gazastreifen damit angetan wird. Jede Maßnahme Israels, Palästinenser*innen in den Süden des Gazastreifens zu vertreiben und sie in so genannte „geschlossene Blasen“ zu sperren oder weiterhin für unmenschliche Lebensbedingungen zu sorgen, um die palästinensische Bevölkerung aus dem Gazastreifen zu vertreiben, käme dem Kriegsverbrechen der Zwangsumsiedlung oder Verschleppung gleich. Werden diese Handlungen als Teil eines weit verbreiteten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung begangen, stellen sie zudem Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.

Nach der bereits zwei Monate dauernden vollständigen Belagerung des Gazastreifens durch Israel könnte die erklärte Absicht Israels, seine bereits verheerende Militäroffensive auszuweiten, seine rechtswidrige Besetzung des Gazastreifens weiter auszubauen und die palästinensische Bevölkerung zu vertreiben, für die Palästinenser*innen im Gazastreifen, die schon seit Monaten inmitten von Israels fortgesetztem Völkermord ums Überleben kämpfen, den endgültigen Todesstoß bedeuten.

Erika Guevara Rosas, leitende Direktorin für Recherche, Advocacy, Politik und Kampagnen bei Amnesty International

„dauerhafte physische Präsenz“ käme rechtswidriger Annexion gleich

Seit Oktober 2023 hat die Welt immer wieder erleben müssen, wie Palästinenser*innen unter unmenschlichen Bedingungen innerhalb des Gazastreifens vertrieben wurden. Die Art und Weise, wie diese Vertreibungen abliefen, zeigt, wie Israel gezielt Bedingungen im Gazastreifen geschaffen hat, die das Überleben der palästinensischen Bevölkerung gefährden. Fast 70 Prozent des Gazastreifens stehen jetzt unter „Evakuierungsbefehl“ oder sind als „Sperrzonen“ ausgewiesen. 

Die neuen Vorhaben Israels deuten darauf hin, dass die Behörden eine weitere Eskalation planen, indem sie Gebiete beschlagnahmen, dort eine „dauerhafte physische Präsenz“ einrichten und den Großteil der Bevölkerung auf unbestimmte Zeit vertreiben.

„Diese Pläne zeugen von Israels absoluter Missachtung des Völkerrechts und seiner Verachtung für die Rechte der palästinensischen Bevölkerung“, sagt Erika Guevara Rosas.

Amnesty International fordert die Hamas und andere bewaffnete Gruppen erneut nachdrücklich auf, alle zivilen Geiseln unverzüglich und bedingungslos freizulassen. Israel scheint die Freilassung der Geiseln als Vorwand zur Rechtfertigung weiterer Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen gegen die Palästinenser*innen sowie seinen fortgesetzten Völkermord im Gazastreifen zu missbrauchen, wie einige Angehörige von noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln kritisieren.

Erika Guevara Rosas, leitende Direktorin für Recherche, Advocacy, Politik und Kampagnen bei Amnesty International

Blockade humanitärer Hilfe ist Verstoß gegen Völkerrecht

Israels Pläne, die Verteilung humanitärer Hilfe zu kontrollieren und zu militarisieren, würden auch die unabhängige und unparteiische Bereitstellung lebenswichtiger Hilfe für eine Bevölkerung in größter Not gefährden. Diese Pläne wurden von UN- und humanitären Organisationen auf das Schärfste verurteilt. Sie lehnen einhellig jeden Versuch ab, Hilfsleistungen als Druckmittel einzusetzen.

Die fortdauernde Belagerung, durch die der Zugang zu lebensrettenden Hilfsgütern wie Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff seit mehr als zwei Monaten vollständig blockiert ist, wird von Israel als Kriegswaffe und rechtswidrige Kollektivbestrafung eingesetzt. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht, das kollektive Bestrafungen strikt verbietet und von allen Parteien verlangt, die Bereitstellung unparteiischer humanitärer Hilfe für notleidende Zivilpersonen zuzulassen und zu unterstützen.

„Jeder Versuch, humanitäre Hilfe zu missbrauchen, sie dazu zu benutzen, Vertreibung durchzusetzen, oder diskriminierende Zonen für die Verteilung von Hilfsgütern einzurichten, würde gegen das Völkerrecht verstoßen und muss abgelehnt werden“, sagte Erika Guevara Rosas.

Die internationale Gemeinschaft muss diese gefährlichen Pläne unmissverständlich zurückweisen und Druck auf Israel ausüben, damit es seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt und den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe im gesamten Gazastreifen gewährleistet.

Erika Guevara Rosas, leitende Direktorin für Recherche, Advocacy, Politik und Kampagnen bei Amnesty International

Die Mehrheit der Palästinenser*innen im Gazastreifen sind Nachkommen der Palästinenser*innen, die die Nakba von 1948 überlebt haben, und leiden bereits seit Jahrzehnten unter der Vertreibung und Enteignung durch Israel, weil ihnen das Recht auf Rückkehr verweigert wird. Israels jüngste Pläne könnten diese historische Ungerechtigkeit noch weiter verschärfen.

„Anstatt eine Politik zu verfolgen, die zu weiteren Vertreibungen und einer möglichen rechtswidrigen Annexion führt, muss Israel seinen Völkermord im Gazastreifen sofort beenden, seine rechtswidrige Besetzung palästinensischer Gebiete im Einklang mit dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom Juli 2024 beenden und sein Apartheidsystem gegen die Palästinenser*innen abschaffen“, meint Erika Guevara Rosas.

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