Nach einer neuen Verordnung sind alle Menschen, die nach Österreich einreisen,angewiesen, sich 14 Tage in Quarantäne zu begeben, die nur durch Vorlage eines Negativtests beendet werden kann. Für jene Menschen, für die Heimquarantäne nicht möglich ist, ist eine angeordnete Anstalts-Quarantäne unter staatlicher Überwachung vorgesehen. Wie der UN Unterausschuss zur Verhütung von Folter (SPT) in einer Anfrage klarstellt, gilt jede Form von Quarantäne, die eine Person nicht nach Belieben verlassen darf, als Freiheitsentzug ( und somit als Eingriff in das Recht auf Freiheit (Art. 9 IPbpR, Art. 5 EMRK ). Freiheitsentzug stellt einen sehr schweren Eingriff dar, der auch eine Einschränkung weiterer Menschenrechte mit sich zieht und ist nur in Ausnahmefällen, aber wohl nicht automatisch und ohne Verdacht auf eine Infizierung mit dem Coronavirus, rechtfertigbar. Daher wird der Staat aufgefordert, das Testen von Verdachtsfällen als Alternative zu Freiheitsentzug stets vorzuziehen, um verpflichtende Quarantäne möglichst kurz zu halten oder gänzlich zu vermeiden. Daher ist der Staat verpflichtet, seine Anstrengungen zu erhöhen, um die Testkapazitäten zu erhöhen.
Zudem, muss Österreich auch sicherstellen, dass auch in Quarantäne, alle Verfahrensrechte im Freiheitsentzug aufrechterhalten werden, z.B. Zugang zu verständlichen Informationen, zu Rechtsbeistand und zu einer medizinischen Untersuchung.
Des Weiteren darf Freiheitsentzug nie zu unmenschlicher Behandlung (Art. 7 IPbpR, Art. 3 EMRK) führen. Diesbezüglich ist zu beachten, dass manche Menschen in Quarantäne besonders gefährdet sind (z.B. Menschen mit psychischen Erkrankungen und Suizidgefährdete Personen, Menschen mit Behinderungen, Opfer häuslicher Gewalt). Daher ist der Staat aufgefordert, die notwendigen Schutzvorkehrungen zu treffen, auch wenn sich Menschen nicht unter direkter staatlicher Kontrolle befinden.
Menschen in Gefängnissen sind in einer besonders verletzlichen Situation und zur Gänze auf den Schutz der Behörden angewiesen. Schutzmaßnahmen, die in der Gesellschaft getroffen werden, wie Isolation und „social distancing“, sind in Haft in der Regel so nicht möglich. Die Haftbedingungen und erheblicher Personalmangel in Justizanstalten waren bereits in den letzten Jahren Gegenstand heftiger Kritik und es ist zu erwarten, dass sich die Situation während der COVID-19 Pandemie noch verschlechtert. In Medien und von Insass*innen und Angehörigen wurde von großer Angst und Verunsicherung in den Anstalten berichtet und es gibt auch schon erste infizierte Insass*innen und Bedienstete. Besonders besorgniserregend ist die Situation für Personen mit einer psychischen oder körperlichen Erkrankung (das trifft vor allem auf den - international auch stark kritisierten - Maßnahmenvollzug zu) oder Ausländer*innen (deren Anteil in Österreich sehr hoch ist). Vor allem die empfindlichen Einschränkungen des Kontaktes zur Außenwelt führen zu großer Unsicherheit in Haft und die alternativen Kontaktmöglichkeiten (z.B. über Video-Telefonie) sind derzeit, laut Berichten, nicht zu bewerkstelligen. Auch die Einschränkung des Ausgangsverbots ist ein schwerer Eingriff in die Rechte von Insass*innen und droht dadurch die Situation in Haft dramatisch zu verschlechtern. Besonders problematisch ist die Ankündigung der Isolation aller Neuankömmlinge für 14 Tage, wenn in dieser Zeit keine sinnvollen menschlichen Kontakte angeboten werden, da dies, laut Expert*innen, eine schwere Misshandlung darstellen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kommissionen der Volksanwaltschaft ihre Monitoring Besuche bis auf weiteres ausgesetzt haben und damit derzeit keine unabhängige Kontrolle der Justizanstalt stattfindet.
Zu beachten ist, dass das Verbot der unmenschlichen Behandlung absolut, d.h. ohne Beschränkungen, gilt und dass der Staat bei der Verpflichtung zu menschenwürdigen Haftbedingungen Ressourcenknappheit nicht geltend machen kann.
Daher sind die Ankündigungen des Bundesministeriums für Justiz, die Justizanstalten, z.B. durch Aufschub des Strafantritts, zu entlasten, zu begrüßen. Von zahlreichen Expert*innen (z.B des Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte und IRKS) wurde allerdings gefordert, dass weitere Alternativen zur Haft zu prüfen sind.
Darüber hinaus wird es aber sicher zusätzliche Überlegungen zu Alternativen in Haft benötigen, um Gefängnisse signifikant zu entlasten. Dies gilt insbesondere für Untersuchungshäftlinge, für die zudem die Unschuldsvermutung gilt. Die Inhaftnahme von Angeklagten, die keine Bedrohung für die Bevölkerung darstellen, ist unter den derzeitigen Umständen nicht zu rechtfertigen.
Auch die weitreichenden Ein- und Ausgangsbeschränkungen in den meisten Alters- und Pflegeheimen sind menschenrechtlich in diesem Kontext des Freiheitsentzugs zu bewerten. Dies insbesondere, als uns mehrfach von möglichen Pflege- und Betreuungsmängeln durch die massive Überlastung des Betreuungspersonals (Ausfälle aufgrund von Personalinfektion, Mangel an Schutzausrüstung, Mehraufwand durch arbeitsaufwändige Isolationsmaßnahmen) berichtet wurde. Die Beschränkungen scheinen unter der Perspektive des Schutzes der Gesundheit und des Lebens auch menschenrechtlich in den allermeisten Fällen und Umsetzungsvarianten nachvollziehbar. Darüber hinaus sind aber die zugehörigen menschenrechtlichen Standardsicherungsmaßnahmen während solcher tief eingreifenden Maßnahmen besonders wichtig. Dazu zählen die Sicherstellung von pflegerisch unterstütztem telefonischen Kontakt zu und von Angehörigen oder auch Beratungs- und Kontrollbesuche durch die Bewohnervertreter*innen nach HeimAufG, die NPM-Kommissionen der Volksanwaltschaft sowie - wo zuständig - der Patient*innenanwält*innen nach UbG. Es ist dringend geboten, dass diese Maßnahmen umgehend wiederaufgenommen und verstärkt werden. Weiters sind die in diesem Bereich tätigen Organe dringend mit der notwendigen Schutzausrüstung auszustatten, um ein aktives und passives Infektionsrisiko hintan zu halten. Da der besondere Schutz von Pflegeheimen noch lange geboten sein wird - selbst wenn die Einschränkungen in der Bevölkerung bereits gelockert werden - ist der Staat aufgefordert, die erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um unnötige Leiden zu vermeiden und ein Leben der Betroffenen in Würde sicherzustellen.
Schließlich ist es gerade bei eingeschränktem Kontakt zur Außenwelt besonders wichtig, dass alle Orte des Freiheitsentzuges weiter von der Volksanwaltschaft überprüft werden. Dazu gehören ausdrücklich auch Orte, in denen Menschen unter verpflichtende Quarantäne gestellt werden. Derzeit führt die Volksanwaltschaft aus Sicherheitsgründen keine Besuche durch. Es ist zu hoffen, dass rasch Möglichkeiten gefunden werden, diese wiederaufzunehmen und dass Alternativen zu Besuchen gefunden werden, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und Beschwerdemöglichkeiten zu erhalten.