
Amnesty International Jahresbericht 2024/25
2024: AUTORITÄRE REGIME BRACHTEN MENSCHENRECHTE UND INTERNATIONALE ORDNUNG IN BEDRÄNGNIS
Das Jahr 2024 war weltweit von Menschenrechtsverletzungen geprägt. Zu beobachten waren insbesondere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht in bewaffneten Konflikten, Angriffe auf Meinungsäußerungsfreiheit und Pressefreiheit, Diskriminierung, wirtschaftliche Ungleichheit, Klimaungerechtigkeit und der Missbrauch von Technologie. Insbesondere mächtige Staaten untergraben die regelbasierte Weltordnung weltweit, und autoritäre Praktiken sind auf vielen Kontinenten weiterhin auf dem Vormarsch.
Bewaffnete Konflikte: Kriegsverbrechen und Genozid
In der Ukraine, im Sudan, Myanmar und besonders im Gazastreifen verübten Konfliktparteien schwere Kriegsverbrechen: Israels Vorgehen im Gazastreifen wurde vielfach als Genozid eingestuft, unter anderem von Amnesty International. Mit mehr als elf Millionen Binnenvertriebenen war der Sudan Schauplatz der größten Vertreibungskrise weltweit. In der Ukraine setzte das russische Militär seine Angriffe mit Raketen und Drohnen auf die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur fort.
Autoritäre Politik und massive Einschränkungen der Grundrechte
Mindestens 21 Staaten brachten Gesetze oder Gesetzesentwürfe ein, die auf die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung oder ein Verbot von Medienunternehmen abzielten. NGOs, Parteien und Aktivist*innen wurden verboten, festgenommen oder Opfer des Verschwindenlassens. Auch die Gewalt gegen Medienschaffende erreichte ein Höchstmaß: 124 Journalist*innen wurden getötet, fast zwei Drittel davon Palästinenser*innen.
Auch in Österreich gerieten die Meinungs- und Versammlungsfreiheit im vergangenen Jahr in Bedrängnis. Zunehmend wurde versucht, bestimmte Formen des friedlichen Protests behördlich zu unterbinden: Das Palästina-Protestcamp an der Universität Wien wurde rechtswidrig aufgelöst. Und gegen Klimaaktivist*innen wurden erstmals ohne vorhergehende Gerichtverfahren primäre Freiheitsstrafen verhängt.
Multiple Krisen, die sich gegenseitig verstärken
Gleichzeitig entfaltete sich die Klimakrise mit tödlichen Hitzewellen, Überschwemmungen, Bränden und Dürrekatastrophen. Erstmals lag die globale Durchschnittstemperatur mehr als 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau.
Die Mischung aus Armut, Konflikten und Umweltzerstörung trieb schätzungsweise 110 Mio. Menschen in die Flucht. Statt die Ursachen zu bekämpfen, setzten viele Regierungen auf rassistische Hetze und gewaltsame Zurückweisungen an den Grenzen, oft unter Missachtung richterlicher Entscheidungen.
Besonders unter Druck: Frauen & reproduktive Rechte
In Afghanistan wurden Frauen und Mädchen Bildung, Arbeit und öffentliche Teilhabe vollständig verwehrt, Demonstrantinnen wurden inhaftiert oder Opfer des Verschwindenlassens. Im Iran ging die Repressionswelle mit neuen Verschleierungsgesetzen, Auspeitschungen und exorbitanten Geld- und Gefängnisstrafen weiter. Staatliche Kräfte und Bürgerwehren, die Frauen und Mädchen aufgrund von „Verstößen“ tätlich angreifen, bleiben weiterhin ungestraft.
Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch geriet weltweit zunehmend unter Druck. Meta und TikTok zensierten in den USA Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen. Vielerorts wurden auch die Rechte von LGBTQIA+ Personen beschnitten und geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalttaten stiegen weiter an.
Trotz enormer Herausforderungen ist die Demontage der Menschenrechte keinesfalls unausweichlich
Schon immer hat es in der Geschichte mutige Menschen gegeben, die sich erfolgreich gegen autoritäre Praktiken aufgelehnt haben. Und so stemmten sich auch 2024 weltweit unzählige Menschen gegen Unrecht und Unterdrückung. Auch an den Wahlurnen wurde den autoritären Entwicklungen vielerorts eine Absage erteilt.
Das Jahr in Bildern
Die Demontage der Menschenrechte keinesfalls ist unausweichlich. Schon immer hat es in der Geschichte mutige Menschen gegeben, die sich erfolgreich gegen autoritäre Praktiken aufgelehnt haben. Auch 2024 stemmten sich weltweit unzählige Menschen gegen Unrecht und Unterdrückung. Auch an den Wahlurnen wurde dem autoritären Gedankengut vielerorts eine Absage erteilt. Deswegen ist klar: Egal, wer uns im Wege steht, wir werden Widerstand leisten gegen die rücksichtslose Gier nach Macht und Profit, die unzählige Menschen ihrer Rechte berauben will. Unsere breite, unerschütterliche Bewegung wird stets vereint für die Würde und die Menschenrechte aller einstehen.
Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International