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Neue Lieferungen von Flugtreibstoff nach Myanmar ermöglichen weiterhin Kriegsverbrechen des Militärs

1. März 2023

Trotz anhaltender Luftangriffe und Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung wird das Militär Myanmars offenbar weiterhin mit Flugtreibstoff beliefert. Das zeigen neue Recherchen von Amnesty International und Global Witness, mit denen die Organisationen weitere Unternehmen identifiziert haben, die an der Lieferkette beteiligt sind.

"Seit dem Putsch im Jahr 2021 hat das Militär in Myanmar kritische Stimmen brutal unterdrückt und die Zivilbevölkerung mit Angriffen am Boden und aus der Luft attackiert", sagt Montse Ferrer, Researcherin und Beraterin für Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International.

Flugtreibstoff, der in die Hände des Militärs gelangt, ermöglicht diese Kriegsverbrechen. Diese Lieferungen müssen jetzt gestoppt werden,

Montse Ferrer, Researcherin und Beraterin für Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International

Hanna Hindstrom, Rechercheleiterin bei Global Witness, sagt: "Wir fordern von allen Beteiligten, dass dieser Handel mit Treibstoff eingestellt wird, da er die Gräueltaten ermöglicht. Die Rechte der Menschen in Myanmar müssen vor den Profit gestellt werden. Wir fordern die Staatengemeinschaft auf, Kontrollen einzuführen oder zu verstärken, um solche Lieferungen zu verhindern."

"Sehr besorgniserregend ist auch der Entscheid des in der Schweiz registrierten multinationalen Treibstoffunternehmens Puma Energy, das sich im Oktober 2022 zum Rückzug aus Myanmar verpflichtet hatte. Puma Energy hat seine Anlagen an eine Unternehmensgruppe in Myanmar verkauft, die die Einfuhr von Flugtreibstoff für das Militär sicherstellt," so Montse Ferrer von Amnesty International.

Tödliche Fracht – Unternehmen, die Myanmars Militär versorgen

Am 3. November 2022 hatte Amnesty International den Bericht Deadly Cargo (Tödliche Fracht) über die Lieferkette von Flugtreibstoff und die Verwicklungen nationaler, regionaler und globaler Unternehmen mit dem Militär in Myanmar veröffentlicht. Zusammen mit Global Witness und Burma Campaign UK hat Amnesty International nun weitere Unternehmen ausfindig gemacht, die in Lieferungen von Flugtreibstoff verwickelt sind – Lieferungen, die wahrscheinlich in den letzten Monaten das Militär erreicht haben.

Eine Lieferung betraf den Öltanker Prime V, der am 28. November 2022 vom Hafen in Sikka (Indien) ablegte; am oder um den 10. Dezember entlud er seine Fracht – Flugtreibstoff der Sorte Jet A-1 – bei der ehemaligen Puma Energy Aviation Sun Co. Ltd. (PEAS) im Hafen von Thilawa in Myanmar.

Eines der an dieser Transaktion beteiligten Unternehmen ist die indische Reliance Industries Ltd. Das Unternehmen ist Eigentümerin des Terminals, von dem aus die Prime V auslief. Das griechische Unternehmen Sea Trade Marine wiederum ist der wirtschaftliche Eigentümer von Prime V, während Japan P&I Club die Transportversicherung (protection and indemnity P&I) abgeschlossen hat. Amnesty International setzte sich mit den Unternehmen in Verbindung, doch nur Japan P&I Club antwortete. Das Unternehmen erklärte, dass es sich an die damals geltenden Sanktionen gehalten hat und dass ihr Versicherungsschutz gekündigt werden kann, wenn ein Schiff in illegale Aktivitäten verwickelt ist. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Prime V bei dieser Lieferung gegen geltendes Recht verstossen hat.

Neue Einzelheiten über eine Verschiffung im Oktober 2022 zeigen auf, dass der Tanker Big Sea 104 die Bangchak-Ölraffinerie im Hafen von Bangkok in Thailand am oder um den 8. Oktober 2022 verlassen hatte. Etwa eine Woche später traf das Schiff in Thilawa ein und entlud nach Angaben des Rohstoffdatenunternehmens Kpler am ehemaligen PEAS-Terminal 12'592 Tonnen Jet A-1.

Die Raffinerie in Bangkok, von wo aus das Schiff abgefahren ist, gehört der börsennotierten Bangchak Corporation Plc.  Das thailändische Unternehmen Prima Marine Plc ist der wirtschaftliche Eigentümer des Tankers Big Sea 104, während der in Luxemburg ansässige The Shipowners' P&I Club die Versicherung abgeschlossen hat. Keines dieser Unternehmen hat auf Anfragen von Amnesty International geantwortet.

"Jedes dieser Unternehmen hat dazu beigetragen, dass das Militär in Myanmar weiterhin Zugang zu Flugtreibstoff hat, um widerrechtliche Luftangriffe durchzuführen. Das muss ein Ende haben. Alle Unternehmen sollten ihre Beteiligung an der Lieferkette für Flugtreibstoff nach Myanmar einstellen", forderte Montse Ferrer.

Puma Energy: Kritischer Verkauf an Konglomerat in Myanmar

Zum Zeitpunkt, als die beiden Lieferungen in Myanmar eintrafen, wurde der Hafenterminal von der myanmarischen Tochtergesellschaft der in der Schweiz und Singapur ansässigen Puma Energy kontrolliert. Im Oktober 2022 teilte Puma Energy mit, dass es sich aus Myanmar zurückziehe und seine Anlagen an ein "privates Unternehmen in lokalem Besitz" verkauft hätte.

Dieses habe sich verpflichtet, "Menschenrechtsgesetze" einzuhalten und keine Vermögenswerte für Menschenrechtsverletzungen zu verwenden. Amnesty International fand heraus, dass es sich bei diesem Käufer um Shoon Energy handelt. Der Verkauf wurde im Dezember 2022 abgeschlossen.  

Shoon Energy ist Teil eines myanmarischen Unternehmenskonglomerats namens Asia Sun, das im Auftrag des Militärs Flugtreibstoff importiert und an Luftwaffenstützpunkte verteilt hat. Nach dem Rückzug von Puma Energy verwaltet dieses Konglomerat nun den wichtigsten Flugtreibstoff-Terminal im Hafen von Thilawa, Yangon. Gemeinsam mit dem vom Militär kontrollierten Unternehmen Myanmar Petroleum Products Enterprise übernimmt Shoon Energy die Einfuhr und Verteilung von Flugtreibstoff im ganzen Land.

"Angesichts der engen Beziehungen zwischen Shoon Energy und dem Militär in Myanmar scheinen die Zusicherungen von Puma Energy zur Einhaltung von Menschenrechten im Grunde bedeutungslos", stellt Montse Ferrer fest.

Im vergangenen Monat verhängten das Vereinigte Königreich und die Europäische Union Sanktionen gegen Einzelpersonen und Unternehmen, die hinter der Asia-Sun-Gruppe stehen, da diese mit der Lieferung von Flugtreibstoff an die Luftwaffe Myanmars in Verbindung steht. Im Vorfeld dieser Sanktionen änderte das Asia-Sun-Konglomerat den Namen mehrerer seiner Unternehmen in Shoon Energy.

Internationale Gemeinschaft muss handeln

Da Unternehmen weiterhin Flugtreibstoff nach Myanmar exportieren, obwohl sie wissen, dass damit Kriegsverbrechen des Militärs ermöglicht werden, muss die internationale Gemeinschaft handeln.

Amnesty International und Global Witness fordern, dass alle Staaten den Export und den Transport von Flugtreibstoff nach Myanmar aussetzen. Zentral ist, dass auch Dienstleistungen Dritter ausgesetzt werden, wie Versicherungs-, Transport- oder Finanzdienstleistungen für Schiffe, die an der Lieferung von Flugtreibstoff nach Myanmar beteiligt sind.

Hanna Hindstrom sagte: "Die internationale Gemeinschaft verfügt über die Instrumente, um diese Einschränkungen zu erlassen. Wir sollten alles in unserer Macht Stehende tun, um die Möglichkeit der Terrorisierung von Zivilist*innen durch das Militär Myanmars zu verringern."

Sanktionen gegen Unternehmen und Einzelpersonen in Myanmar

Nach Angaben des "Myanmar Institute for Peace and Security" führte das myanmarische Militär im Jahr 2021 104 Luftangriffe durch, 2022 waren es sogar 243.

Am 1. Februar 2023, dem zweiten Jahrestag des Militärputsches in Myanmar, kündigten Kanada und das Vereinigte Königreich Massnahmen an, um zu verhindern, dass Flugtreibstoff das Militär erreicht, einschliesslich gezielter Sanktionen gegen Unternehmen und Einzelpersonen in Myanmar. Am 20. Februar 2023 verhängte die EU Sanktionen gegen die Asia-Sun-Gruppe und die mit ihr verbundenen Unternehmen Asia Sun Trading und Asia Sun Energy.

Als Reaktion auf die Untersuchungen von Amnesty International im Rahmen des Bericht Deadly Cargo erklärte die weltweit tätige Reederei Wilhelmsen, sie werde keine Schiffsdienstleistungen für die Beförderung von Flugbenzin nach Myanmar mehr erbringen. Die koreanische Reederei Pan Ocean erklärte ebenfalls, dass sie ihren Schiffen nicht mehr erlauben werde, Flugtreibstoff nach Myanmar zu transportieren. Auch Thai Oil äusserte sich dahingehend, dass das Unternehmen alle Lieferungen von Flugtreibstoff nach Myanmar einstellen werde.

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