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© Ahmad Al-Basha AFP/Getty Images

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Jemen: Internationaler Strafgerichtshof muss Beteiligung von Rüstungsunternehmen an Kriegsverbrechen untersuchen

12. Dezember 2019

Die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) muss die Rolle von europäischen Rüstungsunternehmen bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht, die Kriegsverbrechen darstellen könnten, untersuchen. Mit dieser Forderung schließt sich Amnesty International einem offiziellen Antrag des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) an den IStGH an.

Saudische Koalition bombardiert Krankenhäuser und erhält weiterhin europäische Waffenexporte

Das ECCHR hat der Anklagebehörde des IStGH ein 300-seitiges Schreiben und entsprechendes Beweismaterial vorgelegt. Fünf NGOs unterstützen den Antrag. Darin wird der IStGH aufgefordert, zu untersuchen, ob hochrangige Vertreter*innen sowohl europäischer Unternehmen als auch Regierungen strafrechtlich für die Lieferung von Waffen verantwortlich sein könnten, die von Mitgliedern der von Saudi-Arabien geführten Koalition bei möglichen Kriegsverbrechen im Jemen verwendet wurden. Das ECCHR fordert insbesondere eine Untersuchung ihrer möglichen Beteiligung an 28 Luftangriffen, bei denen rechtswidrig Zivilpersonen getötet oder verletzt und Schulen, Krankenhäuser und andere geschützte Objekte zerstört oder beschädigt wurden.

„Eine Untersuchung durch den IStGH wäre ein historischer Schritt, um Rüstungsunternehmen und ihre Führungsriegen für ihre Entscheidungen zur Rechenschaft zu ziehen“, so Patrick Wilcken, Experte für Rüstungshandelskontrolle bei Amnesty International.

Jeder, der an dem Verkauf von Waffen an die von Saudi-Arabien angeführte Koalition beteiligt ist, ist mitverantwortlich dafür, wie diese Waffen eingesetzt werden. Dazu gehören sowohl Führungskräfte in den Unternehmen als auch Angehörige der Regierungen.

Patrick Wilcken, Experte für Rüstungshandelskontrolle bei Amnesty International

„Die Anklagebehörde des IStGH kann deutlich machen, dass sie Unternehmen für eine Beteiligung an diesen schweren Verbrechen zur Rechenschaft ziehen wird“, so Patrick Wilcken weiter.

Eine Fülle an Beweisen belegt die schweren Menschenrechtsverletzungen, die in dem fast fünf Jahre anhaltenden Konflikt im Jemen begangen wurden. Trotzdem setzen einige europäische Staaten ihre Waffenexporte an Mitglieder der Koalition, die Schulen, Häuser und Krankenhäuser bombardiert hat, weiter fort. Diese Exporte stellen einen eklatanten Verstoß gegen das internationale Waffenhandelsabkommen sowie gegen europäische und nationale Gesetze dar.

Rüstungsunternehmen verstecken sich hinter fehlerhaften Regierungsentscheiden

Für die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen sind die Regierungen verantwortlich, und viele Rüstungsunternehmen sehen sich dadurch von der Verantwortung befreit. Eine Genehmigung durch die Regierung entbindet die Unternehmen jedoch nicht davon, ihrer eigenen Verantwortung für die Wahrung der Menschenrechte im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit nachzukommen. Dazu zählt keine Waffen zu exportieren, die für Verbrechen nach dem Völkerrecht eingesetzt werden könnten.

Noch weniger überzeugend ist das Argument, da Regierungen wegen ihrer Entscheidung, den Export von umstrittenen Rüstungsgütern zu genehmigen, selbst in der Kritik stehen.

Jede Führungskraft kann in der Zeitung nachlesen, dass einige europäische Regierungen in der Einschätzung des Risikos für die Menschenrechte katastrophal versagt haben.

Patrick Wilcken, Experte für Rüstungshandelskontrolle bei Amnesty International

„Die Unternehmen hatten reichlich Zeit und Zugang zu vielen zuverlässigen Informationen, um ihre Entscheidungen zur Belieferung der Koalition vor dem Hintergrund der schrecklichen Ereignisse im Jemen neu zu bewerten. Sich hinter fehlerhaften Regierungsentscheidungen zu verstecken, funktioniert nicht – jetzt könnten sie vor einem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden“ sagt Patrick Wilcken.

Mutmaßliche Beteiligung von europäischen Regierungen und Unternehmen an Verbrechen nach dem Völkerrecht

Das ECCHR und seine Partner (Mwatana for Human Rights, Amnesty International, Campaign Against Arms Trade – CAAT, Centre Delàs und Rete Disarmo) fordern die Anklagebehörde des IStGH auf, die Verantwortung hochrangiger Führungskräfte in den Unternehmen und der für die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen zuständigen Behörden hinsichtlich einer möglichen Beteiligung an diesen mutmaßlichen Verbrechen nach dem Völkerrecht zu untersuchen.

Das Dokument des ECCHR nennt vor allem Unternehmen aus Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien, die den größten europäischen Anteil an den Rüstungsexporten an die Koalition haben. Das Dokument liefert sachliche Informationen zu 28 Luftangriffen – auf Wohngebäude, Schulen, Krankenhäuser, ein Museum und Weltkulturerbestätten –, die nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs Kriegsverbrechen darstellen könnten.

Der IStGH kann seine strafrechtliche Zuständigkeit für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, die in einem Gebiet begangen werden, das der Gerichtsbarkeit eines Vertragsstaats unterliegt (alle EU-Staaten sind Vertragsparteien des Römischen Statuts), oder für dessen Staatsangehörige ausüben, wo immer Verbrechen begangen werden.

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