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Haltlose Vorwürfe: Menschenrechtsverteidigerin unter Hausarrest

24. Jänner 2019

Anastasia Shevchenko drohen sechs Jahre Haft wegen Zusammenarbeit mit „unerwünschten Organisationen“

Am 21. Jänner wurde gegen Anastasia Shevchenko wegen „wiederholter Beteiligung an den Aktivitäten einer unerwünschten Organisation“ Anklage erhoben. Sie ist eine Koordinatorin der Bewegung Open Russia (Otkrytaya Rossiya). Bislang wurden Verstöße gegen dieses Gesetz als Ordnungswidrigkeit geahndet.

Es ist das erste Mal, dass in Russland ein Strafverfahren auf Grundlage des repressiven Gesetzes über „unerwünschte Organisationen“ eingeleitet wurde. Anastasia Shevchenko droht eine sechsjährige Haftstrafe.

Das im Mai 2015 erlassene Gesetz erlaubt es der Staatsanwaltschaft, ausländische Organisationen für "unerwünscht“ zu erklären, die ihrer Ansicht nach eine "Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung, die Verteidigungsfähigkeit oder die Sicherheit des Staates“ darstellen.

Die Einstufung als "unerwünschte Organisation" hat zur Folge, dass nicht nur der Aufenthalt der betreffenden Organisation in Russland und alle ihre Aktivitäten unmittelbar rechtswidrig werden. Auch die Unterstützung und Zusammenarbeit mit einer als „unerwünscht“ eingestuften Organisation werden strafrechtlich verfolgt.

Die Möglichkeiten für russische NGOs, finanzielle Mittel aus dem Ausland zu erhalten, wurden dadurch drastisch eingeschränkt

„Die russischen Behörden verfolgen seit einigen Jahren eine bewusste Strategie der Unterdrückung und Kriminalisierung kritischer Stimmen. Das aktuellste Opfer dieser Strategie ist nun die Bewegung Open Russia“, sagt Natalia Zviagina, Direktorin des Büros von Amnesty International in Russland.

Besorgniserregender Präzedenzfall

„Besonders besorgniserregend ist, dass dies einen Präzedenzfall schafft: Es ist das erste Mal, dass das Strafrecht herangezogen wird, um eine Menschenrechtsverteidigerin wegen mutmaßlicher Zusammenarbeit mit ‚unerwünschten Organisationen’ zu belangen.“

In den vergangenen Tagen ist die Polizei in Russland landesweit mit strafrechtlichen Ermittlungen, Durchsuchungen und Festnahmen gegen Aktivist*innen der Bewegung Open Russia vorgegangen.

Haltlose Vorwürfe

Bereits am 17. Jänner wurde Liya Milushkina, die Koordinatorin von Open Russia in Pskow, gemeinsam mit ihrem Mann Artyom Milushkin festgenommen und des Drogenhandels bezichtigt. Ein solcher Straftatbestand kann mit bis zu 20 Jahre Haft geahndet werden.

Artyom Milushkin hat in der Vergangenheit berichtet, dass Polizeikräfte bei einer Festnahme im November 2018 damit gedroht hätten, ihm Drogen unterzuschieben. Amnesty International hat mit zahlreichen Kolleg*innen des Ehepaares gesprochen, die alle fest davon überzeugt sind, dass die Anklage gegen Liya Milushkina und Artyom Milushkin konstruiert ist.

Am 18. Jänner eröffneten die Behörden ein Verfahren gegen Yana Antonova, die Koordinatorin von Open Russia in Krasnodar, weil sie auf einem Onlineportal ein Video über den Mangel an Schulen in der Region veröffentlicht hatte. Ihr wird vorgeworfen, „an den Aktivitäten einer unerwünschten Organisation teilgenommen zu haben“. Der erste solche „Verstoß“ gegen das Gesetz wird zunächst als Ordnungswidrigkeit und nicht als Straftat behandelt.

Hintergrund

Am 21. Jänner durchsuchte die Polizei die Wohnungen von sechs Aktivist*innen der Bewegung Open Russia in Rostow am Don in Südrussland und Kasan in Zentralrussland. Gegen Anastasia Shevchenko, die Koordinatorin von Open Russia in Rostow am Don, wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es ist das erste nach Paragraf 284.1 des Strafgesetzbuchs eröffnete Strafverfahren. Dieser Paragraf stellt wiederholte Verstöße gegen das Gesetz über „unerwünschte Organisationen“ unter Strafe.

Amnesty International hat zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Aktivist*innen wegen haltloser Vorwürfe im Zusammenhang mit Drogenhandel strafrechtlich verfolgt wurden. Hierzu zählt auch der Menschenrechtsverteidiger Oyub Titiev, der derzeit in Tschetschenien vor Gericht steht.

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