Diskussion über Istanbul-Konvention auch in anderen Ländern Europas
Doch in manchen Ländern steht der Wunsch, sich aus der Konvention zurückzuziehen weit oben auf der Agenda. In der Türkei beispielsweise drücken Frauengruppen ihre Sorge darüber aus, dass angesichts der für den 5. August angesetzten Diskussion des Parteipräsidiums der Regierungspartei die Forderungen immer lauter werden, sich aus der Konvention zurückzuziehen und dies obwohl in den Medien breit von mehreren brutalen Morden an Frauen durch die Hand von Männern berichtet wird.
In anderen Ländern wie Bulgarien und der Slowakei und jüngst auch in Ungarn, haben die Parlamente die Konvention wegen eines falschen Verständnisses von ‚Gender‘ nicht ratifiziert und ignorieren bewusst die schädliche Wirkung von Geschlechterstereotypen, die Frauen und Mädchen in Gefahr bringen, Gewalt zu erfahren.
Ähnliche Missverständnisse blockieren die Ratifizierung der Konvention in der Ukraine. Dort sind die bestehenden Gesetze zur Bekämpfung häuslicher Gewalt bislang nur sehr mangelhaft umgesetzt. Auch wenn die Ratifizierung der Konvention nicht auf der Agenda des ukrainischen Parlaments steht, so hat sich das Land dem Thema nun doch zugewandt, nachdem 25.000 Personen eine Petition unterzeichneten, die den Präsidenten auffordert, den Vertrag zu ratifizieren.
2018 entschied das Verfassungsgericht von Bulgarien, dass die Konvention nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen sei und sorgte damit für die Fortführung von Missverständnissen zum Geltungsbereich und der Art des Vertrags, die nun immer weiter Schaden anrichten.
Der Anstieg häuslichen Gewalt während der COVID-19-Pandemie zeigt, dass die Regierungen weltweit den Schutz für die Rechte von Frauen und Mädchen stärken müssen.
Wenn Polen das Gegenteil täte, würde das Land eine verstörende Botschaft aussenden. Dass nämlich ein Leben ohne Gewalt für Frauen und Mädchen nicht länger eine Priorität darstellt.
Nils Muižnieks ist Europa-Direktor bei Amnesty International. Dieser Kommentar wurde auf Euronews erstveröffentlicht.