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Amnesty zieht Investitionen in Rohstoffkonzerne ab

5. August 2019

Investitionen in Kohle-, Öl- und Erdgasunternehmen sind mit Menschenrechten nicht vereinbar

Amnesty International wird jegliches in die Rohstoffindustrie investierte Eigenkapital abziehen. Diese Entscheidung wurde in dem höchsten internen Entscheidungsforum getroffen, der Global Assembly. An dem Treffen nehmen Amnesty-Vertreter*innen aus aller Welt teil. Darüber hinaus wurde beschlossen, weitere Schritte zu unternehmen, um die Organisation klimafreundlicher zu machen. So will Amnesty beispielsweise die Anzahl an Flugreisen um ein Drittel reduzieren, mehr virtuelle internationale Meetings abhalten und bis 2035 komplett klimaneutral werden.

Rohstoffkonzerne wissen genau, dass ihr Geschäftsmodell zu menschlichem Leid führt, da es unverhältnismäßig stark zum Klimawandel beiträgt. Als die größte Menschenrechtsorganisation der Welt möchten wir ein deutliches Signal senden.

Mwikali Muthiani, Vorsitzende des Internationalen Vorstands von Amnesty International

Das Investieren in Kohle-, Öl- und Erdgasunternehmen ist aufgrund des Zusammenhangs zwischen den Aktivitäten dieser Firmen und der Klimakatastrophe mit den Menschenrechten nicht vereinbar“, sagte Mwikali Muthiani, Vorsitzende des Internationalen Vorstands von Amnesty International, und sagt weiter:

„Der Klimawandel hat gravierende Auswirkungen auf die Menschenrechte und bedroht sowohl unsere bürgerlichen und politischen Rechte als auch unsere Rechte auf Gesundheit, Wasser, Nahrung, Wohnraum und Leben. Gemeinschaften, die in Armut leben oder deren Rechte ohnehin bereits bedroht oder nur unzureichend geschützt sind, sind noch größeren Risiken ausgesetzt. Wir dürfen nicht vergessen, wer für diese Krise verantwortlich ist, der sich die Menschheit nun gegenübersieht.

Wir befinden uns hauptsächlich deshalb in dieser schlimmen Lage, weil Regierungen und Konzerne sich weigern, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um aus gefährlichen fossilen Brennstoffen auszusteigen und in saubere Technologien zu investieren.

Mwikali Muthiani, Vorsitzende des Internationalen Vorstands von Amnesty International

Der Einsatz von fossilen Energieträgern ist die Hauptursache für den Klimawandel, der Naturkatastrophen und Umweltzerstörung noch verschärft und zum Verlust von Menschenleben führt, Lebensräume verwüstet und Wirtschaftssysteme zerstört. 

Alle Unternehmen sind dafür verantwortlich, die Menschenrechte zu achten und aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass ihre Aktivitäten weder direkt zu Menschenrechtsverstößen führen noch indirekt zu ihnen beitragen. Nichtsdestotrotz haben Rohstoffkonzerne bisher keine angemessenen Maßnahmen ergriffen, um auf menschenrechtskonforme erneuerbare Energien umzusteigen, obwohl sie dazu mehr als in der Lage wären.

„Viel zu viele Finanzinstitute betrachten Rohstoffkonzerne als eine akzeptable und konventionelle Anlagemöglichkeit. Wir müssen nun alle gemeinsam die Frage stellen, ob man diese Konzerne stattdessen nicht eher als ein tödliches Risikospiel ansehen sollte, mit dem wir unsere kollektive Zukunft aufs Spiel setzen“, sagte Mwikali Muthiani.

Vermögen wird nicht in Rohstoffkonzerne investiert 

Die Divestment-Entscheidung bedeutet, dass alle Sektionen und Strukturen von Amnesty International – einschließlich des Internationalen Sekretariats und der Länderbüros – dafür zu sorgen haben, dass alle Vermögenswerte, über die Amnesty die alleinige und direkte Kontrolle hat, nicht in Rohstoffkonzerne investiert werden. Alle bereits existierenden Investitionen in Rohstoffkonzerne müssen abgezogen werden. Amnesty wird eine Arbeitsgruppe zusammenstellen, um Richtlinien zur Umsetzung dieser Entscheidung auszuarbeiten.

Damit schließt sich Amnesty International zahlreichen größeren Versicherungsgesellschaften, Glaubensgemeinschaften, Staatsfonds und Universitäten an, die sich ebenfalls zum Abzug ihres Kapitals aus Rohstoffkonzernen verpflichtet haben. Seit die Divestment-Kampagne 2011 von Studierenden als Aufruf zum Klimaschutz gestartet wurde, haben sich mehr als 1.110 Investoren verpflichtet, Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 9.94 Billionen US-Dollar aus der Fossilbrennstoffindustrie abzuziehen.

Mit dieser Entscheidung stimmen wir gegen die Finanzierung von Rohstoffkonzernen und gleichzeitig für den Übergang zu menschenrechtskonformen erneuerbaren Energien und Technologien.

Mwikali Muthiani, Vorsitzende des Internationalen Vorstands von Amnesty International

Diese Entscheidung ergänzt die Absicht von Amnesty International, sich im Rahmen ihrer weltweiten Arbeit zu Unternehmensverantwortung ganz gezielt an Konzerne zu wenden, um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern und den Übergang zu menschenrechtskonformer erneuerbarer Energie zu fordern.

„Amnesty hat Erfahrung darin, schwere Menschenrechtsverstöße durch Konzerne aufzudecken, Kampagnen zur Verhinderung solcher Verstöße zu führen und unternehmerische Rechenschaftspflicht gegenüber den Betroffenen einzufordern. Wir hoffen auf dieser Arbeit aufbauen zu können. Die Divestment-Entscheidung unterstreicht unsere Entschlossenheit, die Menschenrechtsbilanz von Rohstoffkonzernen unter die Lupe zu nehmen“, erklärt Mwikali Muthiani.

Hintergrund

Historisch gesehen sind Rohstoffkonzerne mit am stärksten für den Klimawandel verantwortlich – und das gilt auch heute noch. Studien zeigen, dass nur 100 Unternehmen für 71 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen seit 1988 verantwortlich sind.

Große Rohstoffkonzerne wissen seit Jahrzehnten über die schädlichen Folgen des Einsatzes fossiler Brennstoffe Bescheid und haben versucht, diese Informationen zurückzuhalten und Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels zu blockieren. Dafür liegen immer mehr Nachweise vor. Der Einfluss von Rohstoffkonzernen muss geschwächt werden, um Regierungen den schnellen Übergang zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft zu ermöglichen.

Derzeit untersucht die philippinische Menschenrechtskommission (Commission on Human Rights), inwieweit große Rohstoffkonzerne aufgrund ihres Beitrags zum Klimawandel für Menschenrechtsverstöße verantwortlich zu machen sind. Die Ergebnisse sollen noch 2019 veröffentlicht werden. Art und Umfang der Untersuchung sind bisher beispiellos. Amnesty hat Greenpeace bei der menschenrechtlichen Argumentation der Eingabe unterstützt und unser Generalsekretär hat bei den Anhörungen ausgesagt. Zwar werden die Ergebnisse und Empfehlungen nicht bindend sein. Doch wenn ein entsprechender Zusammenhang festgestellt wird, könnten sie zu strengeren Vorschriften führen, den öffentlichen Druck auf Konzerne zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen erhöhen und die Grundlage für gerichtliche Prozesse auf der ganzen Welt bilden.

Seit den frühen 2010er-Jahren gewinnt die Divestment-Bewegung immer mehr an Schwung. Sie begann mit von Studierenden organisierten Kampagnen an Universitäten in den USA. Sie forderten, Stiftungsvermögen von Hochschulen aus Investitionen in Kohle abzuziehen. Mittlerweile ist die Kampagne zu einer bekannten sozialen Bewegung und einem wichtigen Teil der Bewegung für Klimagerechtigkeit geworden. Die Divest-Invest-Bewegung fordert öffentliche und private Einrichtungen (z. B. Banken und Versicherungsunternehmen) auf, nicht mehr länger in die Fossilbrennstoffindustrie zu investieren und stattdessen mehr Investitionen in saubere Energien zu tätigen.