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Sehen wir die Menschen noch?

19. Februar 2018

Wir dürfen die schrecklichen Bilder von Menschen auf der Flucht nicht hinnehmen – ein Kommentar 

Vor wenigen Wochen traf ein Kollege eine Frau aus Syrien. Sie ist vor dem Krieg geflüchtet und lebt mittlerweile in Dänemark. Während des Gesprächs stoppte die Frau plötzlich: „Kannst du mich sehen? … Du kannst mich wirklich sehen?“ Sie begann zu weinen: „Ich habe zum ersten Mal seit langem das Gefühl, dass mich jemand wirklich sieht.“ Es mag nur eine kleine Anekdote sein – und doch stellt sie eine wichtige Frage: Wann haben wir eigentlich aufgehört, Menschen auf der Flucht zu sehen?

Die Bilder sind kaum auszuhalten

Jeden Tag sind wir mit Bildern und Nachrichten konfrontiert, die eigentlich nicht auszuhalten sind: Menschen, die ihr Zuhause zurücklassen mussten, alles verloren haben und auf der Flucht ihr Leben riskieren; Lager, wo Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht sind und wo ihnen Gewalt, Folter, Vergewaltigung und sogar Sklaverei drohen. Dass es für die Betroffenen kaum auszuhalten ist, liegt auf der Hand.

Dennoch scheinen wir mittlerweile mit diesen Bildern und Meldungen gut leben zu können. Anstatt dass Politiker*innen Maßnahmen beschließen, die das Leid von geflüchteten Menschen mindern, passiert das Gegenteil: Europaweit findet eine Politik, die das Leid von Geflüchteten verstärkt, große Zustimmung.

Anstatt dass Politiker*innen Maßnahmen beschließen, die das Leid von geflüchteten Menschen mindern, passiert das Gegenteil.

Sandra Iyke, Campaignerin bei Amnesty International Österreich

Dabei ist Mitgefühl für einen anderen Menschen, der Schmerzen empfindet, oder für einen, der in einer ausweglosen Situation ist, etwas zutiefst Menschliches. Es ist eines dieser grundlegenden Dinge, die uns zu Menschen machen. Trotzdem schauen wir tatenlos zu, wenn Tausende Menschen auf der Flucht in Situationen gezwungen werden, die schlicht grausam sind.

Bundeskanzler Sebastian Kurz – damals war er noch Außenminister – meinte einmal, dass es unvermeidlich sei, dass es zu hässlichen Bildern komme. Aber wir müssen diese hässlichen Bilder nicht akzeptieren, nein, wir können sie nicht akzeptieren. Denn es sind Menschen, die auf diesen Bildern zu sehen sind. Menschen, die alle eine Geschichte haben. Menschen, die – genauso wie wir – Träume und Hoffnungen haben. Wir müssen diese Bilder nicht hinnehmen. Schauen wir genauer hin, fordern wir echte Lösungen für Menschen auf der Flucht ein. Es ist wieder an der Zeit, zu fühlen und zu handeln.

Sandra Iyke ist Campaignerin bei Amnesty International Österreich. Sie leitet die Kampagne zu Flucht und Asyl #Restartyourheart. Dieser Kommentar erschien im Amnesty Magazin 1/2018

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