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Urgent Action

Saudi-Arabien: Große Sorge um Manahel al-Otaibi

Isolationshaft für Tweets über Frauenrechte

Die saudische Fitness-Trainerin Manahel al-Otaibi (31) hatte sich auf X (Twitter) für Frauenrechte eingesetzt. Die Behörden nahmen sie deshalb im November 2022 zu Unrecht fest und verurteilten sie Anfang 2024 zu 11 Jahren Haft. Im Gefängnis wurde Manahel al-Otaibi brutal misshandelt, sie hatte ein gebrochenes Bein und erhielt keine medizinische Versorgung. Sie muss sofort freigelassen werden!

Manahel al-Otaibi hatte sich mit Beiträgen auf X (Twitter) für Frauenrechte eingesetzt und Fotos von sich ohne Abaya (ein traditionelles, locker sitzendes langärmeliges Gewand) auf Snapchat veröffentlicht. Am 16. November 2022 wurde sie verhaftet und angeklagt, gegen das Gesetz gegen Internetkriminalität verstoßen zu haben.

In einem Verfahren vor dem Sonderstrafgericht (Specialized Criminal Court - SCC) wurde Manahel al-Otaibi am 9. Jänner 2024 zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Das SCC ist dafür bekannt, vage Bestimmungen aus Gesetzen anzuwenden, in denen friedliche Äußerungen mit "Terrorismus" gleichgesetzt werden. Amnesty International hat dokumentiert, dass alle Phasen eines Gerichtsverfahrens vor dem Sonderstrafgericht durch Menschenrechtsverletzungen gekennzeichnet sind.

Seit November 2023 befand sich Manahel al-Otaibi in Isolationshaft ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Erst am 14. April 2024 erhielten ihre Angehörigen einen kurzen Anruf, in dem ihnen Manahel al-Otaibi verzweifelt mitteilte, dass sie brutal geschlagen worden war und ihr Bein gebrochen ist. Die Gefängnisbehörden verweigerten ihr jedoch eine medizinische Versorgung.

Manahel al-Otaibi hat kein Verbrechen begangen, sondern nur friedlich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen. Sie muss sofort bedingungslos freigelassen werden!

Freilassung fordern!

 

Sachlage

Das Sonderstrafgericht in Saudi-Arabien (Specialized Criminal Court – SCC) hat die Fitnesstrainerin und Frauenrechtsaktivistin Manahel al-Otaibi nach einem Geheimprozess wegen "terroristischer Straftaten" zu elf Jahren Haft verurteilt. Die Entscheidung wurde erst Wochen später in der förmlichen Antwort der saudischen Regierung auf ein Auskunftsersuchen von UN-Sonderberichterstatter*innen über ihren Fall bekannt. Am 9. Januar 2024 befand das SCC Manahel al-Otaibi gemäß Artikel 43 und 44 des Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus und seiner Finanzierung für schuldig. Die Familie von Manahel al-Otaibi hatte keinen Zugang zu ihren Gerichtsunterlagen oder den gegen sie vorgelegten Beweisen.

Manahel al-Otaibi war am 16. November 2022 festgenommen und wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung von Cyberkriminalität angeklagt worden, weil sie Hashtags zur Unterstützung der Frauenrechte getwittert und Fotos von sich selbst in "unanständiger" Kleidung in einem Einkaufszentrum gepostet hatte. Die erste Anhörung in ihrem Fall fand am 23. Januar 2023 vor dem Strafgericht in Riad statt, das den Fall dann an das SCC verwies.

Laut den von Amnesty International eingesehenen Gerichtsdokumenten wurde Manahel al-Otaibi angeklagt, auf ihrem Twitter-Account "Inhalte zu veröffentlichen und zu verbreiten, die das Begehen öffentlicher Sünden beinhalten und Einzelpersonen und Mädchen in der Gesellschaft dazu anstiften, religiöse Grundsätze und soziale Werte zu verleugnen und gegen die öffentliche Ordnung und die öffentliche Moral zu verstoßen", was einen Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung von Cyberkriminalität darstellt. Die Anschuldigungen gegen sie beruhen auf ihren Posts in den Soziale Medien, die sich "gegen Vorschriften und Gesetze, die Frauen betreffen" richteten, unter anderem durch den Hashtag #EndMaleGuardianship.

Manahel al-Otaibi war mehr als fünf Monate "verschwunden". Kurz bevor ihre Familie den Kontakt zu ihr verlor, berichtete Manahel al-Otaibi, dass eine Mitgefangene sie brutal geschlagen habe. Dann hörten ihre Angehörigen nichts mehr von ihr. Erst am 14. April erhielten sie einen kurzen Anruf, in dem ihnen Manahel al-Otaibi verzweifelt mitteilte, dass sie von einer anderen Person, die sie weder als Gefangene noch Wärterin identifizieren konnte, erneut brutal geschlagen worden sei. Außerdem gehe sie davon aus, dass ihre Einzelhaft eine Vergeltungsmaßnahme dafür ist, dass sich ihre Schwester Fawzia al-Otaibi für ihre Freilassung eingesetzt hat. Diese sagte gegenüber Amnesty International, dass sie glaubt, dass der einzige Grund, warum Manahel al-Otaibi schließlich ein Telefonat erlaubt wurde, der sei, dass ihrer Familie die Botschaft vermittelt werden sollte, sich nicht mehr öffentlich zu ihrer Inhaftierung zu äußern. Ihre Familie gab an, dass Manahel al-Otaibi "Monate" in Einzelhaft unter isolierten Bedingungen verbracht habe. Dabei stützte sie sich auf Informationen von ehemaligen Gefangenen, die im selben Gefängnis inhaftiert waren. Das Festhalten von Personen in Einzelhaft länger als 15 Tage verstößt gegen das absolute Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung.

Hintergrundinformationen

Die erste Anhörung im Fall von Manahel al-Otaibi fand vor dem Strafgericht in Riad statt. Am 23. Januar 2023 entschied das Strafgericht, dass es in diesem Fall juristisch nicht zuständig sei und verwies den Fall an das Sonderstrafgericht (SCC) in der Hauptstadt Riad. Das SCC ist dafür bekannt, vage Bestimmungen aus den Gesetzen zur Bekämpfung von Internetkriminalität und Terrorismus anzuwenden, in denen friedliche Äußerungen mit "Terrorismus" gleichgesetzt werden. Amnesty International hat dokumentiert, dass alle Phasen eines Gerichtsverfahrens vor dem SCC durch Menschenrechtsverletzungen gekennzeichnet sind.

Seit 2018 haben die saudischen Behörden willkürlich saudische Frauenrechtsaktivistinnen inhaftiert, die sich für die Abschaffung des männlichen Vormundschaftssystems und das Recht auf Autofahren eingesetzt haben. Die inhaftierten Feministinnen sollen während der Verhöre sexuell belästigt, gefoltert und in anderer Weise misshandelt worden sein. Gegen freigelassene Personen wurde ein Reiseverbot verhängt, außerdem ist ihr Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt.

Auch gegen die beiden Schwestern von Manahel al-Otaibi wurde Anklage erhoben, weil sie sich für die Rechte von Frauen einsetzen. Im selben Verfahren, das die Staatsanwaltschaft gegen Manahel al-Otaibi beim SCC in Riad eingeleitet hat, wird ihre Schwester Fawzia beschuldigt, "eine Propagandakampagne zu führen, die saudische Mädchen dazu anstiften soll, religiöse Grundsätze zu verleugnen und gegen die Sitten und Gebräuche der saudischen Kultur zu rebellieren" und einen Hashtag verwendet zu haben, "der für die Befreiung und die Abschaffung der männlichen Vormundschaft wirbt". In dem von Amnesty International eingesehenen Gerichtsdokument heißt es, dass gegen Fawzia al-Obaidi ein gesonderter Haftbefehl erlassen werde. Ihre andere Schwester, Mariam, eine bekannte Aktivistin gegen die männliche Vormundschaft im Königreich, wurde bereits früher wegen ihres Engagements für die Rechte der Frauen angeklagt und inhaftiert und unterliegt derzeit einem Reiseverbot.

In einem ähnlichen Fall wie dem von Manahel al-Otaibi verurteilte das Sonderstrafgericht am 25. Januar 2023 Salma al-Shehab, eine Doktorandin der Universität Leeds und Mutter von zwei Kindern, im Rechtsmittelverfahren erneut zu 27 Jahren Haft, gefolgt von einem 27-jährigen Reiseverbot. Das SCC sprach Salma al-Shehab in einem grob unfairen Gerichtsverfahren wegen terrorismusbezogener Vorwürfe schuldig, weil sie auf Twitter Beiträge zur Unterstützung von Frauenrechten veröffentlicht hatte.

Mitte 2021 waren fast alle Menschenrechtsverteidiger*innen, Frauenrechtler*innen, unabhängigen Journalist*innen, Schriftsteller*innen und Aktivist*innen im Land willkürlich inhaftiert, hatten langwierige und unfaire Gerichtsverfahren – meist vor dem SCC – durchlaufen oder waren unter Bedingungen freigelassen worden, die Reiseverbote und andere willkürliche Einschränkungen ihrer Grundrechte, wie z. B. des Rechts auf friedlichen Aktivismus, beinhalteten.

Bis Januar 2024 hat Amnesty International die Fälle von 69 Personen dokumentiert, die wegen der Ausübung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung strafrechtlich verfolgt wurden, darunter Menschenrechtsverteidiger*innen, friedliche politische Aktivist*innen, Journalist*innen, Dichter*innen und Geistliche. Unter ihnen waren 32 Personen, die wegen ihrer friedlichen Meinungsäußerung in den Sozialen Medien strafrechtlich verfolgt wurden. Amnesty International ist bewusst, dass die tatsächliche Zahl derartiger Strafverfolgungen vermutlich wesentlich höher ist.

MUSTERBRIEF

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APPELLE AN

JUSTIZMINISTER
Waleed Mohammed Al Smani
Minister of Justice
Postal Code 11472
P.O. Box 7775
Riad
SAUDI-ARABIEN
Email: minister-office@moj.gov.sa

KOPIEN AN

Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien
S.E. Herr Abdullah Khalid O TAWLAH
Schottenring 21
1010 Wien
Fax: (+43 / 1) 367 25 40
E-Mail: saudiembassy(at)saudiembassy.at

ANMERKUNGEN

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf zu veranlassen, dass Manahel al-Otaibi umgehend und bedingungslos freigelassen wird, da sie sich nur aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung in Haft befindet.
  • Bis zu ihrer Freilassung muss ihr unverzüglich Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt werden, und ihre Vorwürfe der Folter und anderer Misshandlungen müssen unparteiisch untersucht werden.

INHALT

Your Excellency,

I am deeply concerned about the continued arbitrary detention of fitness influencer and women’s rights activist Manahel al-Otaibi. In June 2025, Manahel al-Otaibi informed her family that she was scheduled to appear in front of the Specialized Criminal Court (SCC) for a new sentencing hearing. The SCC was set up to try terrorism-related crimes under Saudi law. Its judges have presided over grossly unfair trials and handed down decades-long prison sentences as well as the death penalty to people detained over their expression.

On 9 January 2024, the SCC sentenced Manahel al-Otaibi to 11 years in prison for “terrorist offences” after a secret trial where she was found guilty under articles 43 and 44 of the Kingdom’s Law for Combatting Terrorism and its Financing. Manahel al-Otaibi’s family have not had access to her court documents, or the evidence presented against her. The authorities restrict and monitor Manahel al-Otaibi’s communication with her family and therefore she has not been able to inform them of details of court proceedings.

Manahel al-Otaibi was arrested on 16 November 2022 and charged with violating the Anti-Cyber Crime Law for tweeting hashtags in support of women’s rights and posting photos on Snapchat of herself at the mall wearing “immodest” clothing. As well as being subjected to months-long periods of enforced disappearance Manahel al-Otaibi has also been subjected to torture and other ill-treatment in al-Malaz Prison. Manahel al-Otaibi suffers from multiple sclerosis, a chronic neurological disorder. In a phone call to her family on 11 May 2025, she reported severe pain in her leg and she said that she had not received adequate medical care.

I urge you to order the immediate and unconditional release of Manahel al-Otaibi, as she has been convicted solely for exercising her right to freedom of expression. Pending her release, she must be granted immediate access to medical care, and her allegations of torture and other ill-treatment must be impartially investigated. 

Yours sincerely,

MUSTERBRIEF

APPELLE AN

JUSTIZMINISTER
Waleed Mohammed Al Smani
Minister of Justice
Postal Code 11472
P.O. Box 7775
Riad
SAUDI-ARABIEN
Email: minister-office@moj.gov.sa

KOPIEN AN

Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien
S.E. Herr Abdullah Khalid O TAWLAH
Schottenring 21
1010 Wien
Fax: (+43 / 1) 367 25 40
E-Mail: saudiembassy(at)saudiembassy.at

ANMERKUNGEN

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf zu veranlassen, dass Manahel al-Otaibi umgehend und bedingungslos freigelassen wird, da sie sich nur aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung in Haft befindet.
  • Bis zu ihrer Freilassung muss ihr unverzüglich Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt werden, und ihre Vorwürfe der Folter und anderer Misshandlungen müssen unparteiisch untersucht werden.

INHALT

Your Excellency,

I am deeply concerned about the continued arbitrary detention of fitness influencer and women’s rights activist Manahel al-Otaibi. In June 2025, Manahel al-Otaibi informed her family that she was scheduled to appear in front of the Specialized Criminal Court (SCC) for a new sentencing hearing. The SCC was set up to try terrorism-related crimes under Saudi law. Its judges have presided over grossly unfair trials and handed down decades-long prison sentences as well as the death penalty to people detained over their expression.

On 9 January 2024, the SCC sentenced Manahel al-Otaibi to 11 years in prison for “terrorist offences” after a secret trial where she was found guilty under articles 43 and 44 of the Kingdom’s Law for Combatting Terrorism and its Financing. Manahel al-Otaibi’s family have not had access to her court documents, or the evidence presented against her. The authorities restrict and monitor Manahel al-Otaibi’s communication with her family and therefore she has not been able to inform them of details of court proceedings.

Manahel al-Otaibi was arrested on 16 November 2022 and charged with violating the Anti-Cyber Crime Law for tweeting hashtags in support of women’s rights and posting photos on Snapchat of herself at the mall wearing “immodest” clothing. As well as being subjected to months-long periods of enforced disappearance Manahel al-Otaibi has also been subjected to torture and other ill-treatment in al-Malaz Prison. Manahel al-Otaibi suffers from multiple sclerosis, a chronic neurological disorder. In a phone call to her family on 11 May 2025, she reported severe pain in her leg and she said that she had not received adequate medical care.

I urge you to order the immediate and unconditional release of Manahel al-Otaibi, as she has been convicted solely for exercising her right to freedom of expression. Pending her release, she must be granted immediate access to medical care, and her allegations of torture and other ill-treatment must be impartially investigated. 

Yours sincerely,

Fordere Manahels Freilassung!

Anrede