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Wiener Wirt spendiert warme Mahlzeit für Obdachlose

Im Dresdnerhof im 20. Wiener Gemeindebezirk bietet Manuel Schmidt obdachlosen Menschen im Winter kostenlos ein Mittagsmenü und eine warme Stube an. Damit will er auch andere zum Nachdenken bringen. Denn helfen kann fast jeder, ist der Wirt überzeugt. Kreativität ist gefragt.

Es ist ein typisches Wiener Wirtshaus. Im Dresdnerhof in der Brigittenau stehen an diesem Tag Knödel mit Linsen, Gulasch und Schnitzel am Menü. Wenn ab dem Frühling der Gastgarten geöffnet ist, haben hier bis zu 150 Menschen Platz. Aber auch in der kalten Jahreszeit wird Gastfreundschaft für jene Menschen groß geschrieben, die sich keinen Restaurantbesuch leisten können: Seit 2017 verteilen die Mitarbeiter*innen des Lokals nach dem Mittagsbetrieb ab 14:30 Uhr eine Stunde lang warme Mahlzeiten an obdachlose Menschen und bieten Raum zum Aufwärmen.

Wirtshausbetreiber Manuel Schmidt wurde durch ein tragisches Ereignis im Jänner 2017 aufgerüttelt. Eine wohnungslose Frau verbrannte in Favoriten, weil sie sich an einem Feuer wärmen wollte und selbst in Brand geriet. „Ich habe nur gedacht, dass das nicht wahr sein darf, dass in Österreich Menschen sterben, weil sie es warm haben wollen“, sagt Schmidt. Er beschloss daraufhin, tätig zu werden. Noch im selben Monat startete er die Aktion „Together“.

Für Schmidt und sein Team fällt durch die kostenlose Essensausgabe zwar mehr Arbeit an, aber die Kosten bleiben ungefähr gleich. Denn pro Tag gibt es zwei Mittagsmenüs, oft bleibt viel übrig. Diese Speisen werden nun an Obdachlose verteilt. Ein Nebeneffekt: Dadurch wird Lebensmittelverschwendung verhindert.

Andere Menschen zum Nachdenken bringen

Mit der Aktion möchten Schmidt und seine Mitarbeiter*innen auch andere zum Nachdenken bringen. „Wir wollten damit Lokalbetreibern zeigen, wie einfach es geht zu helfen“, sagt der 34-Jährige. Noch im selben Jahr schlossen sich einige Restaurants Schmidts Vorbild an. Seiner Meinung nach kann aber jeder und jede einen Teil betragen, um anderen zu helfen – auch wenn sie kein Lokal haben. Kreativität sei gefragt, Kooperation und der Wille, etwas zu verändern.

Die Reaktionen auf die Essens-Aktion waren fast durchgehend positiv, berichtet Schmidt. Natürlich sei es keine schlechte Werbung. Den Medienrummel wollte er eigentlich vermeiden: „Ich habe aber schnell realisiert, dass wir die Obdachlosen nur dadurch erreichen können.“

Dabei war die Aktion für das eigene Geschäft anfangs sogar schlecht. Denn es wurden vereinzelt Tische storniert. Schmidt räumt ein, dass er dafür Verständnis hat: „Ich kann es nachvollziehen, dass man in Ruhe mit seiner Familie oder Freunden essen will, wenn man zahlt.“ Tischstornierungen gibt es heute keine mehr. Denn ein Vorteil im Dresdnerhof ist, dass es ein geräumiges Hinterzimmer gibt, in dem die Obdachlosen sich eine Stunde aufwärmen, essen, Zeitung lesen und fernsehen können. 50 bis 60 Menschen kommen pro Tag, wenn es draußen bitterkalt ist. Rund 70 Prozent sind Männer.

„Es kann jedem passieren“

Über die Jahre haben sich zum Teil auch persönliche Verbindungen mit den wohnungslosen Gästen ergeben. Ein besonders schönes Erlebnis ist für Schmidt die Geschichte eines jungen Mannes: Der Wirt verschaffte ihm bei einem Bekannten einen Job als Küchengehilfe. In dieser Saison kam dieser Mann wieder. Er hat mittlerweile eine Wohnung und einen festen Job. Im Dresdnerhof reservierte er am Valentinstag einen Tisch, um seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen.

Er werde auf jeden Fall weiter im Winter Essen ausschenken, betont Schmidt. Damit will er nicht nur helfen, sondern auch zum Nachdenken anregen. „Ich habe das Glück, dass ich hier geboren wurde. Das ist keine Leistung. Viele Menschen, die hier herkommen, können nichts dafür, wie es für sie gelaufen ist. Wenn ich eines gelernt habe in den vergangenen zwei Jahren: Es kann jedem passieren.“