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Pakistan: Journalist Ahmad Farhad "verschwunden"

Update 03.07.2024

Ahmed Farhad wurde in Polizeigewahrsam gebracht und unter dem Anti-Terrorismusgesetz und dem Gesetz zur Verhütung elektronischer Straftaten angeklagt. Die Anklagen beziehen sich auf Proteste in Kashmir, obwohl Ahmad Farhad nicht mehr in Kashmir lebt und bei den Protesten nicht anwesend war. Er wurde auf Kaution freigelassen, die Anklagen gegen ihn bleiben aufrecht. Amnesty International beobachtet seine Situation weiterhin.

Am 15. Mai 2024 wurde der Journalist Ahmad Farhad vor seinem Haus in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad entführt. Seither fehlt von ihm jede Spur. Die Polizei weigerte sich zunächst, die Anzeige aufzunehmen, wurde dann aber vom Hohen Gericht in Islamabad angewiesen, sich des Falls anzunehmen. Der Verbleib des Journalisten muss umgehend aufgeklärt und Ahmad Farhad freigelassen werden.

Ahmad Farhad ist ein 38-jähriger pakistanischer Journalist kaschmirischer Herkunft, der am 15. Mai 2024 um 1:00 Uhr morgens vor seinem Haus in Islamabad von vier Männern in Zivilkleidung entführt wurde. Seine Familie sah, wie er in einem unbekannten Fahrzeug abtransportiert wurde. Die Entführer zerstörten die Überwachungskameras des Hauses und entfernten einen digitalen Videorekorder. Die Familie von Ahmad Farhad ging um 4.00 Uhr morgens zur Polizei, um Anzeige zu erstatten, dort weigerte man sich jedoch, die Anzeige (in Pakistan bekannt als First Information Report) aufzunehmen und den Fall zu untersuchen.

Daraufhin reichte seine Familie beim Hohen Gericht in Islamabad einen Antrag auf richterliche Haftprüfung ein. Das Gericht wies die Polizei an, Ermittlungen in dem Fall aufzunehmen und regelmäßig über den Stand der Untersuchungen zu berichten. Am 17. Mai erhielt die Ehefrau des Journalisten einen Anruf von Personen, die sich als seine Entführer ausgaben und sie aufforderten, ihre Eingabe beim Hohen Gericht zurückzuziehen. Im Gegenzug würden sie Ahmad Farhad freilassen. Am nächsten Tag beantragten ihre Rechtsbeistände die Rücknahme des Antrags, doch der Journalist wurde nicht freigelassen. Daraufhin beschloss die Ehefrau, den Rechtsweg weiterzugehen. Bisher liegen keine Informationen über den Verbleib von Ahmad Farhad vor.

Ahmad Farhad äußert seit einiger Zeit öffentlich Kritik an den pakistanischen Behörden und wurde bereits in der Vergangenheit mehrfach wegen seiner Aktivitäten in den Sozialen Medien bedroht. Es besteht große Sorge um die Sicherheit des Journalisten, da Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen in Pakistan regelmäßig Opfer des Verschwindenlassens werden. Er leidet an einer schweren Form von Magenschleimhautentzündung und benötigt regelmäßig Medikamente.

Fordere jetzt vom pakistanischen Innenminister, den Verbleib und das Schicksal von Ahmad Farhad unabhängig aufzuklären. Sollte er sich in staatlichem Gewahrsam befinden, muss er sofort freigelassen werden.

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Ahmad Farhad arbeitet seit 15 Jahren als Journalist und war bereits für mehr als zehn pakistanische Nachrichtensender tätig, u. a. Bol News, Hum News, Neo News und Capital TV. Er ist auch ein bekannter Dichter, der seine Gedichte auf Urdu verfasst und darin politische Themen wie das Verschwindenlassen anspricht. Er ist in den Sozialen Medien aktiv und hat in der Vergangenheit öffentlich die politische Einflussnahme der Streitkräfte in Pakistan kritisiert, weshalb er häufig bedroht worden ist. Er arbeitete in jüngster Zeit als freiberuflicher Journalist, nachdem er wiederholt von früheren Arbeitgebern entlassen wurde, die von den Behörden unter Druck gesetzt worden waren. Ahmad Farhad ist in den vergangenen zwei Jahren überwacht worden, und 2023 wurde sein Laptop von den Behörden beschlagnahmt. Vor zwei Monaten wurden seine Familienangehörigen in Kaschmir von der Polizei bedroht, um die Löschung seiner kritischen Beiträge in den Sozialen Medien zu erreichen.

Ahmad Farhad ist Vater von vier Kindern, das jüngste ist vier Jahre alt. Laut Angaben seiner Ehefrau belastet die Ungewissheit über seinen Verbleib die Familie stark.

Hintergrund

Journalist*innen, Menschenrechtler*innen, Andersdenkende sowie Angehörige von Minderheiten, insbesondere aus der Region Belutschistan und der Provinz Chaibar Pachtunchwa, laufen in Pakistan Gefahr, Opfer des Verschwindenlassens zu werden. Es gibt in Pakistan kein Gesetz gegen das Verschwindenlassen, und es mangelt an Rechenschaftslegung seitens der Behörden. Familienmitglieder, die fordern, dass das Schicksal ihrer "verschwundenen" Angehörigen aufgeklärt wird, werden regelmäßig von den Behörden schikaniert, überwacht und eingeschüchtert. Die Praxis des Verschwindenlassens verstößt gegen das Recht auf Freiheit der Person, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren sowie das Recht auf Freiheit vor Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Pakistan hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (UN-Antifolterkonvention) ratifiziert.


Ahmad Farhad kommt aus der von Pakistan verwalteten Region Asad Jammu und Kashmir, wo kurz vor seinem Verschwindenlassens Massenproteste gegen die hohen Lebenshaltungskosten stattfanden. Auf den von dem zivilgesellschaftlichen Bündnis JAAC (Jammu Kashmir Joint Awami Action Committee) organisierten Protestkundgebungen forderten die Menschen die Wahrung ihrer wirtschaftlichen Rechte, niedrigere Stromkosten, Subventionen für Weizen und eine stärkere Besteuerung einkommensstarker Gruppen. Die Demonstrationen wurden gewaltsam niedergeschlagen, wobei die Ordnungskräfte auch Tränengas und tödliche Munition einsetzten. Seit dem 11. Mai 2024 wurden so drei Personen getötet und beinahe Hundert verletzt. In der betroffenen Region wurde das mobile Internet komplett blockiert.