© Diana Bobb
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aus dem magazin

„Vertrauen statt Kontrolle – Beziehung statt Regeln“: Wie Schule Autorität neu denkt

7. Mai 2025

Aus dem Amnesty Magazin, Ausgabe Mai 2025

Wie können neue Ansätze für mehr Mitbestimmung und Kooperation in der Schule aussehen? Ein Gespräch mit der Bildungsexpertin Sabine Scheffknecht über alternative Bildungsmodelle in Österreich.

Von Julia Trampitsch

Ein schrilles Klingeln. Der Unterricht beginnt. Die Lehrperson an der Tafel spricht, die Schüler*innen in ihren Bänken hören zu. Ein Bild, das unser Schulsystem seit jeher prägt. Doch angesichts wachsender Herausforderungen stellt sich die Frage: Ist dieses Modell noch zeitgemäß?

Laut dem Bildungsklima-Index 2023 der MEGA-Bildungsstiftung fühlen sich rund zwölf Prozent der Schüler*innen –das entspricht etwa 140.000 jungen Menschen – einem „sehr starken“ Leistungsdruck ausgesetzt und psychisch belastet. Diese Wahrnehmung wird auch von Lehrkräften geteilt, die berichten, dass die psychische oder soziale Situation ihrer Schüler*innen auch ihre Arbeit im Unterricht stark beeinflusst. Das Gesamturteil für das österreichische Bildungssystem? Gerade einmal ein „Befriedigend“. 

„Das System, das wir haben, macht zu viele Lehrkräfte und Kinder krank. Dabei dürfen wir nicht mehr länger zusehen“, warnt auch Sabine Scheffknecht, Leiterin von Schule im Aufbruch Österreich. Der Verein setzt sich für eine Reform des österreichischen Bildungssystems hin zu mehr Potenzialentfaltung der Kinder und Jugendlichen ein und fördert innovative, partizipative Ansätze. Die Expertin ist jedoch überzeugt: 

Wir müssen dem nicht hilflos zusehen. Es gibt alternative Modelle, die in Österreich längst keine Theorie mehr, sondern vielerorts bereits Praxis sind.

Sabine Scheffknecht, Leiterin von Schule im Aufbruch Österreich.

Neue Modelle für mehr Mitbestimmung

„Es gibt nicht das eine Erfolgskonzept“, erklärt Scheffknecht. Aber erfolgreiche Methoden haben eines gemeinsam: Sie setzen auf demokratische Strukturen und gemeinsames Lernen auf Augenhöhe. Bewährte Methoden sind zum Beispiel die Einführung eines Klassenrats oder eines Schulforums. Dabei handelt es sich um partizipative Ansätze, bei denen wichtige Entscheidungen gemeinschaftlich zwischen Lehrpersonen und Schüler*innen getroffen werden. Alternativen wie Lernbüros oder der „FREI DAY“, bei dem die Schüler*innen eigenverantwortlich an Themen arbeiten, die sie begeistern, haben sich ebenfalls als erfolgreich erwiesen.

„Wenn man die Kinder fragt, wo sie mitbestimmen wollen, stellt sich schnell heraus, was und wie sie wirklich lernen wollen“, sagt Scheffknecht. Ziel zukunftsweisender Methoden müsse es daher sein, die Probleme und Themen der Kinder in den Lernalltag zu holen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.

Beziehungsarbeit als Grundlage

Grundlage für den Erfolg dieser neuen Ansätze ist die Beziehungsarbeit. Scheffknecht betont, dass Konzepte wie die „Neue Autorität“ nicht mehr auf Macht und Hierarchie, sondern auf Vertrauen und Beziehung setzen.

Doch bedeutet das grenzenlose Freiheit? Nein, sagt Scheffknecht: Schulen müssen auch Orte der Sicherheit sein, in denen es klare Rahmenbedingungen gibt – vor allem im Umgang miteinander.

Es muss klar sein, welche Ziele gemeinsam gesteckt werden, wie ich mich melde, wenn ich Unterstützung brauche und wie wir miteinander umgehen.

Sabine Scheffknecht, Leiterin von Schule im Aufbruch Österreich.

„Freiheit bedeutet auch Verantwortung“, so Scheffknecht weiter. Es gehe darum, Kindern zu vermitteln, wie schön es ist, selbst dafür verantwortlich zu sein, dass Dinge gelingen. „Wenn man Kindern Freiheit und Verantwortung gibt, dann sitzen sie nicht in der Ecke und schauen fern, sie wollen lernen und sie finden ihre Projekte und das, was sie interessiert. Das schafft erlebbare Erfolgsmomente, die bleiben“, ist Scheffknecht überzeugt.

Die Zukunft der Schule liegt also in der Beziehungsarbeit, die klare Strukturen schafft, aber gleichzeitig Selbständigkeit und Freude am Lernen ermöglicht. Und das funktioniert auch im österreichischen Schulsystem, so Scheffknecht: „In unserem Netzwerk von Schule im Aufbruch gibt es mindestens 600 Schulen, die schon unterwegs sind, das macht Mut. Sie beweisen, dass Schule Spaß machen kann, dass Kinder eigenverantwortlich lernen wollen und können.“

Julia Trampitsch ist Teil der Amnesty Redaktion

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