Lomjaria war fünf Jahre alt, als sie 1989 zum ersten Mal auf die Straße ging: Ihre Eltern hatten sie damals in Tbilisi aus dem Kindergarten abgeholt und zu einer Demonstration gegen die sowjetische Herrschaft mitgenommen. Schon als Schülerin und später als Studentin machte sie bei fast allen demokratischen und pro-europäischen Bewegungen in Georgien mit. Für sie war das mehr als nur politisches Engagement, es war vielmehr „ein tief verwurzelter Teil der georgischen Geschichte, ein Akt der Freiheit und des Widerstands“. Heute, mit 41 Jahren, setzt sie sich als Rechtsanwältin vehement für die Rechte Demonstrierender ein, die in Georgien harten Repressionen ausgesetzt sind.
In einem mehrstöckigen Gebäude in einer Seitenstraße der zentralen Rustaweli-Avenue in Tbilisi haben mehrere Nichtregierungsorganisationen ihren Sitz. Lomjaria, in rotem Kleid und schwarzem Blazer, sitzt lächelnd an einem großen Tisch in einem Konferenzsaal. Dort spricht sie häufiger mit der Presse. Sie genießt hohes Ansehen als Verteidigerin der Protestbewegung und unbequeme Kritikerin der Regierungspartei. Seit Jahren dokumentiert sie Menschenrechtsverletzungen, insbesondere in Bezug auf Polizei, Justiz und Strafvollzug– trotz politischem Druck. Lomjaria gründete außerdem die Organisation Georgias European Orbit, um die Integration des Landes in die EU voranzutreiben.
Ihre Arbeit wurde auch international gewürdigt. Das US-Außenministerium verlieh ihr 2023 den Global Human Rights Defender Award, und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron ehrte sie mit einem Verdienstorden für ihren herausragenden Beitrag zum Aufbau der Demokratie in Georgien. Von 2018 bis 2022 war sie Menschenrechtsbeauftragte des Landes.
Nach der manipulierten Wahl im Oktober gründete ihre Organisation gemeinsam mit anderen die Wahlbeobachtungsmission My Vote. „Wir haben Hunderte von Beweisen aus mehr als 1.000 Wahllokalen dokumentiert“, sagt sie und zeigt auf ihrem Laptop entsprechende Fotos und Videos: „Stimmabgaben mit fremdem Personalausweis, Verletzung des Wahlgeheimnisses, körperliche Gewalt, unbefugte Personen, mehrfach abgegebene Stimmen und Einschüchterung.“
Im Dezember veröffentlichte My Vote zudem einen Bericht über die Repression gegen Demonstrant*innen: Über 450 Festnahmen, mindestens 300 Personen wurden Opfer von Gewalt, Folter und anderweitiger Misshandlung. Rund 80 Journalist*innen wurden attackiert, teils von „Tituschkis“ – Männern, die ohne Kennzeichnung an der Seite der Polizei agieren.