Aus dem Amnesty Magazin 1/2022
Regina Amer ist 62 Jahre alt und Aktivistin im Bereich Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Nach ihren eigenen Erfahrungen mit Wohnungslosigkeit, schloss sie sich 2018 dem Netzwerk HOPE (Homeless in Europe) an und gründete gemeinsam mit ihrer Tochter HOPE Austria. Im Interview erzählt Regina Amer von ihren eigenen Erfahrungen, den Herausforderungen, vor denen vor allem obdach- und wohnungslose Frauen stehen und darüber, was sie in ihrer Arbeit als Aktivistin motiviert.
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Können Sie uns zu Beginn ein bisschen von Ihrer eigenen Geschichte erzählen?
Ich habe im Jahr 2015 meine Wohnung verloren, weil ich meinen Freund, der im Sterben lag, betreut habe. Damals habe ich mich nicht um meine eigene finanzielle Situation gekümmert, sondern um ihn und darum, dass er hat, was er braucht. Im Jahr 2017 habe ich dann vom Wohnungslosentreffen in Deutschland erfahren und dort den Chef von HOPE kennengelernt. Er meinte damals zu mir: „Wenn dich das stört, was da mit den Menschen passiert, dann tu was.“ Ein Jahr später habe ich gemeinsam mit meiner Tochter den Verein HOPE Austria gegründet.
Haben Sie damals, als Sie Ihre Wohnung verloren haben, die Unterstützung bekommen, die Sie gebraucht haben?
Unterstützung hatte ich keine. Die meisten haben sich zurückgezogen, als sie merkten, dass ich aus meiner Wohnung raus muss. Damals war nicht klar, wie lange ich wirklich warten muss, bis ich in eine neue Wohnung ziehen kann und da waren auf einmal alle Kontakte weg. Das war schlimm.
Wie hätten Sie besser unterstützt werden können?
Es wäre schön gewesen, wenn all die Menschen, denen ich all die Jahre davor geholfen habe, sich revanchiert und gesagt hätten: „Okay, für die zwei, drei Wochen kannst du bei mir wohnen, bis du deine Wohnung hast.“
Ein großes Problem ist außerdem, dass es schwierig ist, an Informationen zu kommen. Man wird immer wieder darauf verwiesen: „Schauen Sie sich das online an.“ Aber man kann nicht davon ausgehen, dass jede*r ein Online-Futzi ist und unbegrenzten Zugang zum Internet hat. Informationen und Flyer müssen dort angeboten und ausgelegt werden, wo Leute hingehen.
Können Sie uns erzählen, wie es für Sie als Frau war, als Sie wohnungslos waren?
Als Frau wohnungslos zu sein, ist echt nicht lustig, weil man immer wieder Angebote von Männern bekommt, die meinen: „Ich hab eh schon lange keine Frau gehabt, dann zieh doch zu mir.“ Oder man wird abgezockt, weil sie meinen: „Wenn du zahlst, kannst du bei mir wohnen“ und sobald die Kohle aus ist, wird man auf die Straße gesetzt.