
Urgent Action Iran: Tausenden droht die Hinrichtung
15. September 2025Die Welle von Hinrichtungen im Iran hat schreckliche Ausmaße erreicht. Tausenden von Menschen droht die Hinrichtung, wenn sie in unfairen Verfahren u.a. wegen Drogendelikten oder vagen und zu weit gefassten Anklagen zum Tode verurteilt werden. Viele Menschen werden derzeit strafrechtlich verfolgt, weil man ihnen Straftaten zur Last legt, die im Iran mit der Todesstrafe geahndet werden können. Seit den Protesten unter dem Motto "Frau, Leben, Freiheit" Ende 2022 machen die iranischen Behörden verstärkt von der Todesstrafe als Mittel der Unterdrückung Gebrauch. Allein 2025 wurden bisher über 800 Menschen hingerichtet.
Tausende Menschen im Iran sind in Gefahr in grob unfairen Verfahren vor Revolutionsgerichten zum Tode verurteilt zu werden, unter anderem wegen Drogendelikten oder zu weit gefasster und vage formulierter Anklagen, die auf der Grundlage des Völkerrechts nicht mit der Todesstrafe geahndet werden dürfen, wie "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) und "Verdorbenheit auf Erden" (ifsad fil-arz). Da die iranischen Behörden sich weigern, Statistiken zur Todesstrafe zu veröffentlichen, ist nicht genau bekannt, wie viele Personen zum Tode verurteilt wurden oder wegen Straftaten, die im Iran mit der Todesstrafe geahndet werden, strafrechtlich verfolgt werden. Aussagen von Staatsbediensteten deuten jedoch darauf hin, dass sehr vielen Menschen die Todesstrafe drohen könnte. So gab die iranische Behörde für die Drogenbekämpfung im Juni 2025 bekannt, dass zwischen März 2024 und März 2025 (dem Jahr 1403 nach dem iranischen Kalender) 194.700 Personen wegen des Verdachts auf Drogenhandel festgenommen wurden. Drogenhandel kann im Iran mit der Todesstrafe geahndet werden. Darüber hinaus gaben die Behörden im August 2025 bekannt, dass zwischen dem 13. Juni und dem 12. August 2025 über 20.000 Menschen im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt zwischen Israel und dem Iran festgenommen wurden, darunter Hunderte, denen "Spionage" vorgeworfen werde. Angeklagte, die im Iran der "Spionage" für schuldig befunden werden, können zum Tode verurteilt werden.
Zwischen Jänner und Ende August 2025 haben die Behörden laut dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte mindestens 841 Menschen hingerichtet. Dies bedeutet eine starke Zunahme in der Anwendung der Todesstrafe im Vergleich zum Vorjahr 2024, in dem zwischen Januar und August mindestens 429 Menschen hingerichtet wurden. Inmitten einer seit den Protesten unter dem Motto "Frau, Leben, Freiheit" im Jahr 2022 anhaltenden Welle von Hinrichtungen haben die Behörden nach dem bewaffneten Konflikt zwischen Israel und dem Iran im Juni 2025 die Anwendung der Todesstrafe unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit noch einmal intensiviert. Seitdem fordern Angehörige der Justizbehörden beschleunigte Verfahren und harte Strafen, einschließlich der Todesstrafe, für alle, die der "Unterstützung" oder "Kollaboration" mit Israel beschuldigt werden. Das Parlament hat außerdem ein Gesetz verabschiedet, das, sollte es vom Wächterrat genehmigt werden, die Anwendung der Todesstrafe ausweiten würde.
Recherchen von Amnesty International zeigen immer wieder, dass die Revolutionsgerichte, die für Verstöße gegen die nationale Sicherheit und Drogendelikte zuständig sind, nicht unabhängig sind und nach grob unfairen Verfahren harte Strafen verhängen. Personen, die vor solchen Gerichten stehen, wird systematisch das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren verweigert.
Hintergrund
Nach Amnesty International vorliegenden Informationen, darunter auch aus Primärquellen und von Menschenrechtsverteidiger*innen außerhalb des Iran, sind zahlreiche Personen in grob unfairen Verfahren wegen politisch motivierter Anklagen, darunter wegen der übermäßig weit gefassten und vage definierten Anklagen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh), "Verdorbenheit auf Erden" (ifsad fil-arz) und "bewaffneter Rebellion gegen den Staat" (baghi) zum Tode verurteilt worden und in unmittelbarer Gefahr, hingerichtet zu werden.
Unter diesen zum Tode Verurteilten befinden sich mit Pakhshan Azizi, Sharifeh Mohammadi und Verisheh Moradi mindestens drei Frauen und mindestens 50 Männer, darunter Abbas Deris, Abolhassan Montazer, Abdolghani Shahbakhsh, Abdolrahim Ghanbarzehi, Adnan Ghobeishavi, Afshin Ghorbani Meyshani, Ahmadreza Djalali, Ali (Soran) Ghassemi, Ali Mojadam, Ali Obeidavi, Alireza Bamerzpournak, Alireza Kafaei, Alireza Merdasi, Akbar (Shahrokh) Daneshvarkar, Amir Hossein Maghsoudloo (Amir Tataloo), Amir Mohammad Khosheghbal, Babak Alipour, Babak Shahbazi, Ehsan Faridi, Eidou Shahbakhsh, Farshad Etemadi Far, Fazel Bahramian, Habib Deris, Turkish national Hatem Özdemir, Hossein Nemati, Issa Eidmohammadi, Kaveh Salehi, Manouchehr Fallah, Masoud Jamei, Mehrab (Mehran) Abdullahzadeh , Milad Armoun, Moein Khanfari, Mohammad Taghavi Sangdehi, Mohammad Javad Vafaei Sani, Mohammadreza Moghaddam, Navid Najaran, Omid Tabari Moghaddam, Peyman (Amin) Farhahvar, Pezhman Soltani, Peyman (Amin) Farhahvar, Pouya Ghobadi, Rezgar Beigzadeh Babamiri, Salem Mousavi, Saman Mohammadi Khiareh, Shahin Basami, Soleiman Shahbakhsh, Tayfour Salimi Babamiri, Vahid Bani Amerian, Yaghoub Derakhshan und Yousef Ahmadi.
Aufgrund der Äußerungen von Staatsbediensteten wird befürchtet, dass Tausende weitere Personen ebenfalls Gefahr laufen, entweder nach einem Todesurteil hingerichtet zu werden bzw. zum Tode verurteilt zu werden, weil man ihnen Straftaten zur Last legt, die im Iran mit der Todesstrafe geahndet werden. Dazu zählen sowohl Drogendelikte oder zu weit gefasste und vage formulierte Anklagen, die nach dem Völkerrecht nicht zu den "schwersten Straftaten" gehören, als auch international als "schwerste Straftaten" geltende Handlungen, wie Mord.
Hochrangige Staatsbedienstete, darunter die Oberste Justizautorität, Gholamhossein Mohseni Ejei, haben eine Beschleunigung der Gerichtsverfahren und Hinrichtungen von Personen gefordert, die feindliche Staaten wie Israel "unterstützen" oder mit ihnen "kollaborieren". Staatliche Medien haben sich für eine Wiederholung der Gefängnismassaker von 1988 ausgesprochen, darunter auch in einem Artikel der Nachrichtenagentur Fars, in dem es heißt, dass "die Söldnerelemente […] Hinrichtungen im Stil von 1988 verdienen". Seit dem 13. Juni 2025 wurden mindestens neun Männer wegen politisch motivierter Anklagen und/oder dem Vorwurf der Spionage für Israel hingerichtet.
Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab. Sie verletzt das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben und ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen. Amnesty International ruft seit langem alle Länder auf, die an der Todesstrafe festhalten, einschließlich des Iran, ein Hinrichtungsmoratorium zu erlassen, als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe.
Seit Beginn der Proteste unter dem Motto "Frau, Leben, Freiheit" Ende 2022 setzen die Behörden der Islamischen Republik Iran die Todesstrafe gezielt ein, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Macht zu festigen. 2023 haben die Behörden mindestens 853 Todesurteile vollstreckt, 48 Prozent mehr als 2022. 2024 verzeichnete Amnesty International 972 Hinrichtungen, was die höchste Zahl seit 2015 darstellt. Mindestens 52 Prozent (505) der Hinrichtungen standen im Zusammenhang mit Drogendelikten. Damit setzt sich der beunruhigende Aufwärtstrend fort, der 2021 seinen Anfang nahm, als die Behörden zu einer von harten Strafen geprägten Drogenpolitik zurückkehrten. Sie verstoßen damit gegen das Völkerrecht, das die Anwendung der Todesstrafe für Drogendelikte strengstens verbietet. Die Anwendung der Todesstrafe wirkt sich zudem unverhältnismäßig stark auf die unterdrückten Minderheiten im Iran aus, insbesondere auf Angehörige der afghanischen, der belutschischen und der kurdischen Gemeinschaft. Im Jahr 2024 stieg die Zahl der hingerichteten Afghan*innen im Vergleich zu 2023 deutlich an, von 25 auf 80, wobei etwa die Hälfte der zum Tode Verurteilten wegen Drogendelikten hingerichtet wurde. Dieser Anstieg fiel mit einer Eskalation hasserfüllter und entmenschlichender Äußerungen und Behandlungen gegenüber Afghan*innen zusammen, die sich auch im Jahr 2025 fortsetzte. Seit der Eskalation der Kampfhandlungen zwischen Israel und Iran im Juni 2025 haben iranische Staatsbedienstete, die Afghan*innen von jeher als "Fremde" oder "unautorisierte Staatsangehörige" bezeichnen, ihre rassistische und entmenschlichende Rhetorik weiter verschärft. Außerdem haben Behörden auch unbegründete Vorwürfe gegen Afghan*innen wegen "Spionage" für Israel erhoben. Seit dem 14. Juni 2025 wurden mindestens fünf Personen, die als Afghanen identifiziert wurden, aufgrund solcher Anschuldigungen festgenommen, und die staatlichen Medien haben die erzwungenen "Geständnisse" von mindestens vier dieser Männer ausgestrahlt.
Bitte bis 31. Dez. 2025 unterschreiben.