Die 48-jährige Abir Moussi ist Anwältin, Vorsitzende der Partei Parti Destourien Libre (PDL) und eine bekannte politische Gegnerin von Präsident Kais Saied. Von 2019 bis 2021 war sie Parlamentsabgeordnete. Am 5. August 2024 verurteilte das erstinstanzliche Gericht in Tunis sie zu zwei Jahren Haft, weil sie öffentlich den Wahlprozess kritisiert hatte. Die Verurteilung erfolgte gemäß dem Gesetzeserlass 2022-54 über Cyberkriminalität, nachdem die Wahlbehörde ein Verfahren angestrengt hatte. Am 24. September 2023 hatte Abir Moussi eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie ihr Interesse äußerte, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen anzutreten. Nur wenige Tage später, am 3. Oktober 2023, wurde sie vor einem zum Komplex des Präsidentenpalastes gehörenden Verwaltungsgebäude festgenommen. Dort hatte sie versucht, bei der zuständigen Behörde Rechtsmittel gegen Präsidialdekrete einzulegen, war aber daran gehindert worden. Abir Moussi protestierte gegen diese willkürliche Behinderung und bestand darauf, vor dem Verwaltungsgebäude stehen zu bleiben und alles live auf Facebook zu streamen. Laut Augenzeug*innen und Rechtsbeiständen wurde sie von Sicherheitskräften abgeführt und für zwei Stunden an einen unbekannten Ort gebracht, bevor ihre Rechtsbeistände sie auf der Polizeiwache von La Goulette ausfindig machen konnten, einem Viertel in der Hauptstadt Tunis. Erst nachdem sich Abir Moussi bereits 48 Stunden lang in Gewahrsam befunden hatte, wurden die Rechtsbeistände über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft informiert, sie in Untersuchungshaft zu nehmen. Zudem ignorierte die Polizei die Bitte von Abir Moussi um notwendige Medikamente, was zu gesundheitlichen Komplikationen führte, die später einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machten.
Am 5. Oktober 2023 wurde Abir Moussi vor dem erstinstanzlichen Gericht in Tunis wegen des Vorwurfs der Absicht, "die Staatsform zu ändern", der "Anstiftung zur Gewalt auf tunesischem Hoheitsgebiet" und des "Angriffs mit dem Ziel, Unruhe zu stiften" gemäß Paragraf 72 des Strafgesetzbuchs verhört und ihre Untersuchungshaft angeordnet. Außerdem wurden ihr die "Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Zustimmung der betroffenen Person" und die "Beeinträchtigung des Rechts auf Arbeit" gemäß Paragraf 27 und 87 des Datenschutzgesetzes sowie Paragraf 136 des Strafgesetzbuchs vorgeworfen. Am 30. Januar 2024 wurden die Anklagen unter Paragraf 72 fallengelassen, Abir Moussi blieb jedoch auf Grundlage der zwei anderen Anklagepunkte in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft legte Rechtsmittel gegen diesen Gerichtsentscheid ein und die Vorwürfe werden neu geprüft.
Zwischen Dezember 2022 und März 2023 zeigte die Wahlbehörde Abir Moussi auf der Grundlage des Gesetzeserlasses 54 in vier Punkten bei der Generalstaatsanwaltschaft von Tunis an. Hierbei ging es um kritische Äußerungen von Abir Moussi über den Wahlprozess. Die Rechtsbeistände von Abir Moussi führen an, dass die vier Anzeigen laut Gesetz in einer einzigen Untersuchung hätten zusammengefasst werden müssen; stattdessen werden sie getrennt und von verschiedenen Richter*innen behandelt.
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