Prof. Şebnem Korur Fincancı ist eine bekannte Gerichtsmedizinerin, Mitglied der Menschenrechtsstiftung der Türkei und Vorsitzende des Dachverbands der türkischen Ärztevereinigungen. Als Menschenrechtsverteidigerin war sie bereits in der Vergangenheit grundlosen strafrechtlichen Ermittlungen, Inhaftierungen und Strafverfahren ausgesetzt.
Im Jahr 2016 wurde Prof. Şebnem Korur Fincancı kurzzeitig in Untersuchungshaft genommen, als sie wegen ihrer symbolischen Rolle als Redakteurin der geschlossenen kurdischen Tageszeitung Özgür Gündem wegen "Werbung für eine terroristische Organisation" angeklagt wurde. Zusammen mit ihren beiden Mitangeklagten wurde sie 2019 freigesprochen, doch die Freisprüche wurden in der Berufung aufgehoben, und das Verfahren wird derzeit neu aufgerollt.
In den letzten sieben Jahren war auch der Dachverband der türkischen Ärztevereinigungen Gegenstand zahlreicher strafrechtlicher Ermittlungen auf der Grundlage der übermäßig weit gefassten Antiterrorgesetze der Türkei, und bekannte Mitglieder wurden inhaftiert und strafrechtlich verfolgt.
Am 20. Oktober beantragte das Verteidigungsministerium die Einleitung einer strafrechtlichen Untersuchung gemäß Paragraf 217/a des türkischen Strafgesetzbuchs, der die "absichtliche Verbreitung falscher Informationen in der Öffentlichkeit" unter Strafe stellt, Paragraf 216, der das "Anstiften der Öffentlichkeit zu Hass und Feindschaft" unter Strafe stellt, Paragraf 267/1 wegen "Verleumdung", Paragraf 301 wegen "Verunglimpfung des Staates, staatlicher Einrichtungen und Organe" und Paragraf 7/2 des Antiterrorismusgesetzes wegen "Werbung für eine terroristische Vereinigung".
Als die Anwält*innen von Prof. Fincancı am 21. Oktober von den Ermittlungen erfuhren, forderten sie die Akte bei der Generalstaatsanwaltschaft in Ankara an und teilten ihr mit, dass Prof. Fincancı ab Montag, dem 24. Oktober, nach ihrer Rückkehr von einem Besuch in Deutschland am 23. Oktober für eine Befragung zur Verfügung stehen würde. Die Akte wurde der rechtlichen Vertretung von Prof. Fincancı nicht zur Verfügung gestellt, als Prof. Fincancı nach einer Hausdurchsuchung der Polizei bei ihr in Istanbul am 26. Oktober festgenommen wurde.
Nach den internationalen Menschenrechtsnormen und -standards obliegt dem Staat die Verantwortung für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte und folglich auch für den Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen, die auf Menschenrechtsverletzungen hinweisen. Die Staaten haben die Pflicht, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, die gegen Menschenrechtsverteidiger*innen begangen werden und mit ihrer Tätigkeit als Menschenrechtsverteidiger*innen zusammenhängen, und sicherzustellen, dass sie ihre Arbeit in einem sicheren und förderlichen Umfeld ausüben können.
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