Der Schutz von Rechtsanwält*innen vor Einschüchterung, Schikanen oder Beeinflussung, auch durch Ausschlussverfahren zur Entziehung ihrer Zulassung, ist eine wesentliche Voraussetzung für die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege und des Rechts auf ein faires Verfahren. In den UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte (angenommen vom Achten Kongress der Vereinten Nationen für Verbrechensverhütung und die Behandlung Straffälliger, Havanna, Kuba, 27. August bis 7. September 1990) wird darauf hingewiesen, dass ein "angemessener Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, auf die alle Menschen Anspruch haben, handele es sich um wirtschaftliche, soziale und kulturelle oder bürgerliche und politische Rechte, voraussetzt, dass alle Menschen einen effektiven Zugang zu den von einer unabhängigen Rechtsanwaltschaft geleisteten Diensten erhalten". In diesen UN-Grundprinzipien wird zudem ausgeführt: "Der Staat stellt sicher, dass die Rechtsanwält*innen a) in der Lage sind, alle ihre beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung wahrzunehmen; b) in der Lage sind, zu reisen und sich mit ihren Mandant*innen frei zu beraten, sowohl im eigenen Lande als auch im Ausland; und c) wegen Handlungen, die mit anerkannten beruflichen Pflichten, Verhaltensregeln und Ehrenpflichten im Einklang stehen, keine strafrechtliche Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder andere Sanktionen erleidet oder damit bedroht wird."
Lilia Hemedzhy ist eine der wenigen Anwält*innen, die krimtatarischen Aktivist*innen im Kampf gegen ihre Verfolgung und für Gerechtigkeit unterstützen, und das in einem Umfeld, in dem Jurist*innen, die Dienstleistungen für Krimtatar*innen erbringen, Schikanen und Verfolgung ausgesetzt sind. Als Reaktion auf den ständigen Druck und die Versuche, sie an ihrer Arbeit als Menschenrechtsanwältin zu hindern, die Krimtatar*innen und die muslimische Gemeinschaft auf der Krim vertritt, hat sie eine Schule für Pflichtverteidiger*innen gegründet, in der sie ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit anderen teilt.
Lilia Hemedzhy gehört auch zu den Gründungsmitgliedern der Organisation Krim-Solidarität, die am 9. April 2016 als Reaktion auf die politische und religiöse Verfolgung der Krimtatar*innen durch die russischen Behörden auf der Krim gegründet wurde. Ziel des Zusammenschlusses von Aktivist*innen, Rechtsbeiständen und Angehörigen von Inhaftierten ist es, deren Zugang zu rechtlicher, finanzieller, medizinischer oder sonstiger Unterstützung zu gewährleisten. Angesichts der Verfolgung kritischer Stimmen und der fehlenden freien Medienberichterstattung über die Situation auf der Krim seit 2014 versucht die Organisation außerdem, über die dortigen anhaltenden Menschenrechtsverletzungen zu informieren. Mehrere bekannte Mitglieder der Krim-Solidarität befinden sich nach konstruierten Vorwürfen im Gefängnis.
Die Gemeinschaft der Krimtatar*innen machte vor der russischen Besetzung und rechtswidrigen Annektierung der Halbinsel im Jahr 2014 durch die Russische Föderation etwa zwölf Prozent der dortigen Bevölkerung aus. Unter den Kritiker*innen der diskriminierenden russischen Maßnahmen im Bereich der Religions- und Glaubensfreiheit finden sich zahlreiche einflussreiche Krimtatar*innen; weshalb die De-facto-Behörden die gesamte Gemeinschaft der Krimtatar*innen als illoyal betrachten und sie mit Vergeltungsmaßnahmen ins Visier nehmen. Menschen, die sich seit 2014 zu den Menschenrechtsverletzungen auf der Krim äußern, werden verfolgt. Dazu gehören das Verschwindenlassen von Personen, Schikanen, Einschüchterungen, willkürliche Festnahmen, Folter und andere Misshandlungen sowie die strafrechtliche Verfolgung und langjährige Inhaftierung nach unfairen Gerichtsverfahren aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen.
Setz dich ein!
Bitte unterschreib bis 19. Juni 2023