In einem Artikel, der am 24. Dezember 2022 auf der Nachrichtenseite raseef22.net veröffentlicht wurde, erzählte Wissam al-Tawil mutig von ihrem Leidensweg und sprach ihre Solidarität für alle Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt aus. Ende 2022 haben Wissam und Fatimah al-Tawil außergewöhnlichen Mut bewiesen, indem sie sich gegen die Gewalt, die sie erlebt haben, aussprachen, und ihre Erfahrungen über soziale Netzwerke mit anderen teilten. Auch die Drohungen auf der Facebook-Seite ihres Vaters konnten sie nicht davon abhalten, ihre Geschichte weiterhin zu erzählen. Die Schwestern sagten, dass sie nicht nur für sich selbst sprechen, sondern für alle Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind.
Die beiden Frauen versuchten am 25. Oktober 2022 den Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah zu verlassen, wurden allerdings von den palästinensischen Behörden darüber informiert, dass sie nicht ausreisen dürfen. Seitdem haben die beiden Frauen wiederholt um eine Ausreisegenehmigung gebeten. Die Behörden weigerten sich jedoch jedes Mal diese auszustellen, obwohl kein gerichtlich angeordnetes Reiseverbot gegen die beiden Frauen besteht.
Nach monatelangem Druck vonseiten ihres Vaters, wurden die beiden Schwestern am 12. November 2022 gezwungen, die Unterkunft für Frauen zu verlassen. Er hatte die Behörden beschuldigt, "Familienwerte" zu zerstören und gegen soziale Normen zu verstoßen, weil sie sich "geweigert" hätten, seine beiden Töchter herauszugeben, die er als sein Privateigentum ansieht. Der Vater hatte diese Aussagen in zahlreichen Videos wiederholt, die er auf Facebook und WhatsApp veröffentlichte.
Die beiden Frauen berichteten Amnesty International, dass sich das Verhalten des Vaters wie "psychologische Kriegsführung" angefühlt habe und dass sie gegen ihren Willen gezwungen wurden, die Unterkunft zu verlassen und nach Rafah zurückzukehren. Sie sagten aus, dass der Leiter der Unterkunft erniedrigende Durchsuchungen bei ihnen durchgeführt habe, bei denen er ihre Mobiltelefone beschlagnahmt hätte. Außerdem habe eine Polizistin der Frauen-Abteilung des Gazastreifens, deren Aufgabe die Kontrolle des Verhaltens von Frauen ist, sie angewiesen, die Unterkunft umgehend zu verlassen. Daraufhin versteckten sie sich mehrere Wochen lang, bis sie schließlich von palästinensischen Sicherheitskräften aufgegriffen und am 5. Januar 2023 zu ihrer Familie zurückgebracht wurden. Die letzten Worte, die sie am 6. Januar 2023 gegen 1 Uhr morgens an Amnesty International schicken konnten, waren: "Das ist unser Untergang."
Im Jahr 2014 hat der Staat Palästina die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ratifiziert. Die palästinensischen Behörden sind dazu verpflichtet, Frauen vor Gewalt zu schützen, angemessene Rechtsmittel für Überlebende zu gewährleisten, und Täter*innen zur Rechenschaft zu ziehen.